Page 65 - Soziale Beziehungen, unter die Lupe genommen! 2019
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Der Standpunkt Alfred Adlers
Adler nahm an, es sei der größte Wunsch eines Kin-
des, seine Umgebung zu beherrschen. Seiner Meinung
nach tut das Kind dies auf zweierlei Weise: Es fordert
oder bittet, wobei es die Eltern im Grunde emotional er-
presst. Adler befürwortete bei der Kindererziehung den
goldenen Mittelweg zwischen Nachsicht und Diszipli-
nierung. So könne das Kind in dem Wissen, geliebt und
geschätzt zu werden, geborgen aufwachsen und sei dann
in der Lage, Selbstbewusstsein und soziale Kompetenz
zu entwickeln.
Adler zufolge treten Beziehungsprobleme am ehesten
auf, wenn die Eltern daran gescheitert sind, eine ver-
nünftige Balance zwischen Nachgiebigkeit und Diszipli-
nierung zu finden und einzuhalten. Übermäßige Kritik
von Seiten der Eltern z.B. lässt manche Kinder mit ei-
nem Gefühl der Minderwertigkeit aufwachsen. Wenn
ihre Durchsetzungsfähigkeit dann noch schwach ausge-
prägt ist, bleiben sie unterwürfig und sind leicht von an-
deren zu beherrschen. Dieses Verhaltensmuster wirkt
sich auf alle künftigen Beziehungen aus.
Auf der anderen Seite entwickeln Kinder, denen man
zu viel durchgehen lässt, oft eine starke Neigung zum
Egoismus. Sie lehnen es häufig ab, sich eigene Schwä-
chen oder Fehlschläge einzugestehen oder in Betracht zu
ziehen, dass andere ihnen ebenbürtig sind. Adler zufolge
versuchen sie oft zu kompensieren oder sogar zu über-
kompensieren, indem sie ständig nach Möglichkeiten
suchen, sich hervorzutun und ihre eigenen Bedürfnisse
über die anderer zu stellen. Auch dies kann spätere Be-
ziehungen beeinflussen.
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