Page 66 - Soziale Beziehungen, unter die Lupe genommen! 2019
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Der Standpunkt Anthony Storrs
         Auch Anthony Storr glaubte, dass zwischenmenschli-
       che Probleme letztendlich auf das Verhältnis zwischen
       Eltern und Kind zurückzuführen sind. Dabei ging es ihm
       jedoch nicht darum, den Eltern die Verantwortung für
       den Charakter ihres Kindes zu geben, sondern darum, zu
       erkennen, dass es um äußerst komplexe Interaktionen
       verschiedener Persönlichkeiten geht.
         Storr war der Auffassung, dass es für die Entwicklung
       einer eigenständigen Persönlichkeit des Kindes notwen-
       dig ist, gegen seine Eltern aufzubegehren, unabhängig
       davon, wie tolerant und liebevoll diese auch sind. An-
       sonsten identifiziert sich das Kind mit den Eltern und
       spiegelt lediglich deren Psyche wider, anstatt eine ein-
       zigartige Persönlichkeit zu entwickeln. Storr zufolge be-
       deutet echte Liebe zum Kind, nicht immer nachzugeben.
       Dabei ist es jedoch wichtig zu akzeptieren, dass kindli-
       cher Widerspruch und kindliche Widerspenstigkeit not-
       wendig sind, um erwachsen zu werden.
         Nach Meinung Storrs wird emotionale Sicherheit und
       damit die Fähigkeit, enge Beziehungen einzugehen, am
       ehesten in einem häuslichen Umfeld erreicht, in dem
       sich die Eltern sicher fühlen. Die Eltern sollten reif ge-
       nug sein, um tolerieren zu können, dass ihre Kinder ei-
       genständige Persönlichkeiten sind und nicht Abbilder
       ihrer selbst. Das schlimmste Szenario für ein Kind ist es,
       sich entweder einem Elternteil gegenüber zu sehen, der
       immer seinen Wünschen nachgibt, oder einem Elternteil,
       der das nie tut.







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