Page 175 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Die Entstehung der ersten Wortbedeutungen beim Kinde. 163
Sehr bald stellen sich Reduplicationen ein und die für die Kinder-
sprache typischen Lallworte Papa, Mama, baba, wawa, tata, nana,
dada. Auf die Frage, ob und warum bestimmte Laute besonders
bevorzugt werden, gehe ich nicht ein. Bemerkenswerth ist aber, dass
hier ein spontanes Element der kindhchen Sprachentwicklung hervor-
tritt. Denn die Lalllaute des Kindes verdanken ihre Entstehung
nicht dem Einfiuss der Sprache der Erwachsenen. Das geht einer-
seits daraus hervor, dass der Lautreichthum der Stufe des spontanen
Lallens bei manchen Individuen weitaus größer ist als der in irgend
einer späteren Periode, ferner daraus, dass eine große Anzahl Laute
vom Kinde hervorgebracht werden, welche die Erwachsenen, die be-
ständig mit dem Kinde verkehren, weder sprechen noch sprechen
können, wie z. B. Schnalzlaute, schwierige Combinationen von Guttural-
lauten mit r und n, schwebende Vocale und dergleichen mehr; es
müssen sich dabei also vererbte Dispositionen spontan bethätigen.
Die Stufe des spontanen Lallens wird langsam verdrängt durch die
Stufe der Nachahmung vorgesprochener Laute. Diese That-
sache schließt mehrere Probleme in sich. Man könnte vielleicht
erwarten, dass das Nachahmen gegebener Laute dem spontanen Spre-
chen vorangehen müsse — die Thatsachen zeigen unzweifelhaft das
Gegentheil. Ein weiteres Problem liegt darin, dass nach überein-
stimmenden Beobachtungen aller Kinderpsychologen jedes Kind an-
fangs gewisse Lautcombinationen nicht nachsprechen kann, wenn die
Erwachsenen sie ihm vorsprechen , die es schon längst spontan her-
vorbringt i). Preyer's Knabe sprach längere Zeit spontan das Lall-
wort ada, ohne es nachsprechen zu können (im elften Monat), und es
kam, als es ihm vorgesprochen wurde, erst nach einigen effectlosen
Lippenbewegungen heraus. Aehnliches berichten fast alle anderen
Kinderpsychologen, ich selbst habe diese Erscheinung wiederholt con-
statirt. Es ist viel über die Ursachen dieser beiden Erscheinungen
gestritten worden. Ich deute hier nur an, dass dabei wohl eine
ganze Anzahl Ursachen zusammenwirken. Für manche Fälle wird in
Betracht kommen, dass der akustische Reiz, d.h. die Stimme des
ErsN'achsenen, beim Vorsprechen ein anderer ist als die Laute, die
1) Soviel mir bekannt ist, hat Vierordt zuerst diese Erscheinung genauer
untersucht. Deutsche Revue HE. -.
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