Page 74 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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62 Ludwig Lange.
Diese Verbildlichung könnte nämlich nur zu leicht den Gedanken
an eine im physikalischen Sinne »zwangläufige« Bewegung
hervorrufen, und damit den ganzen Werth der Construction in den
Augen des Lesers erheblich beeinträchtigen ; ein aufmerksamer Leser
wird freilich wohl herausfühlen, dass Voss ebenso wenig, wie ich,
das Wesen der Construction so grob-sinnlich aufgefasst haben kann.
Hiermit ist die im Eingang vorliegender Arbeit versprochene kri-
tische Revision zum Abschluss gelangt. Das Facit aus ihr zu ziehen,
ist nicht meine Sache. Vielmehr bleibt es dem Leser des Vor-
stehenden überlassen, sich je nach seinem eigenen Urtheil für oder
wider meine Vorschläge zu entscheiden. Wer es als Aufgabe der
Wissenschaft ansieht, in ihrem Rahmen wenigstens das dem
Naturmenschen angeborene, unklare und mehr oder minder willkür-
liche Hantiren mit geheimnisvollen Gründen der Erscheinungswelt auf
ein Minimum zu beschränken, dem wird die gebotene Aufklärung
ohne Weiteres willkommen sein. Da übrigens das Interesse an der
Frage, wie die gegebene Darstellung erkennen lässt, eher im Wachsen,
als in der Abnahme begriffen ist, brauche ich die Hoffnung nicht auf-
zugeben, dass sich künftige systematische Darstellungen der Mechanik
mit der von mir angestrebten Aenderung der Fundamente mehr und
mehr befreunden werden. Wer in dem Trägheitssatz einen tieferen
Sinn als den einer partiellen Convention sucht, verlässt eben da-
mit meiner Meinung nach das Gebiet der strengen Wissen-
schaft. Mit dem Standpunkt des philosophischen oder religiösen
Glaubens zu rechten, ist aber natürlich niemals meine Absicht ge-
wesen. In diesem Sinne habe ich seiner Zeit die Kritik Newton's
mit den Worten abgeschlossen: »Dem Glauben des Einzelnen
bleibt es unbenommen, seine Convention, seine subjective Teleo-
logie als Ausfluss einer allgeistigen göttlichen Teleologie aufzu-
fassen io9).