Page 319 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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4.Teil: Rechtsvereinheitlichung auf Gemeinschaftsebene              295

                           VIII. Zusätzlicher Entschädigungsfonds

                           Um auch in Katastrophenfällen vollständige und angemessene Entschädigung zu
                           gewährleisten, sollte die Verordnung nach dem Vorbild des HNS-
                           Übereinkommen und dem bewährten Fondsübereinkommen für Ölverschmut-
                           zungsschäden neben der Haftung des Beförderers/Schiffseigentümers einen zu-
                           sätzlichen Entschädigungsfonds vorsehen. Dieser würde eine Entschädigungsga-
                           rantie bei größeren Schäden bieten, welche ein einzelner Beförderer/Schiffseigner
                           nicht leisten könnte.
                              Der zusätzliche  Entschädigungsfonds  sollte durch  Beiträge der Empfänger
                           und der Versender gefährlicher Güter gespeist werden, denn diese haben ebenfalls
                           ein starkes wirtschaftliches Interesse am Transport gefährlicher Güter. Natürlich
                           ist die Festsetzung der Beiträge aufgrund der Verschiedenartigkeit der verladenen
                           gefährlichen Güter sowie der erheblich größeren Zahl von Beitragspflichtigen mit
                           z.T. vergleichsweise niedrigeren Beiträgen sehr viel schwieriger als beim Fonds-
                           übereinkommen für Ölverschmutzungsschäden. Beim HNS-Übereinkommen hat
                                                                                              1441
                           man sich deshalb für die Bildung von vier verschiedenen Konten entschieden. 1
                              Bei einer gemeinschafts-rechtlichen Regelung sollten die einzelnen Gefahrgü-
                           ter abgestuft nach ihrem Gefährdungspotential entsprechend der neu erarbeiteten
                                                 1442  ebenfalls in mehrere Konten eingeteilt werden. Die
                           speziellen Gefahrgutliste 1
                           Beitragspflicht der Empfänger und Versender zu diesen  Konten bemäße sich
                           dann nach der Menge der tatsächlich empfangenen bzw. versendeten Güter und
                           deren Gefährdungspotential (risikoabhängige Beitragsmessung).
                              Um die nicht unbedeutenden finanziellen Mittel des Fonds nicht zu „totem
                           Kapital“ werden zu lassen, sollten diese nach Möglichkeit zum Teil in Anleihen
                           höchster Bonität (z.B. Staatsanleihen) angelegt werden.
                              Im Einzelnen sollte der Fonds nur eingreifen, wenn zum einen bewiesen ist,
                           dass die Schäden mit  hinreichender  Wahrscheinlichkeit durch die  gefährlichen
                           Güter verursacht worden sind, zum anderen einer der drei Fälle, wie sie bereits im
                           HNS- und Fondsübereinkommen bestimmt sind, vorliegt: 1.)  Die entstandenen
                           Schäden übersteigen die Haftungshöchstsummen, 2.) der Haftpflichtige kann sich
                           auf einen Haftungsausschlussgrund berufen oder 3.) der Haftpflichtige ist nicht
                           ausreichend versichert und finanziell nicht in der Lage, die Ansprüche vollständig
                           zu befriedigen. Hinsichtlich des  zweiten Falles ist  allerdings zu  berücksichtigen,
                           dass sich der Fonds entsprechend den Vorbildern wiederum von seiner Zahlungs-
                           verpflichtung befreien können sollte, wenn bewiesen ist, dass die Schäden Folgen
                           kriegerischer Handlungen oder durch ein staatlich betriebenes Fahrzeug oder den
                           Geschädigten selbst verursacht wurden. Diese  Befreiungstatbestände sollten je-
                           doch nicht für die entstandenen Kosten von Schutzmaßnahmen gelten.


                           1441  Siehe 2. Teil B III 4.
                           1442  Siehe 4. Teil C I.
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