Page 318 - Haftung für Gefahrguttransporte in Europa : zur außervertraglichen Haftung für Gefahrguttransporte zu Lande, zu Wasser und mit Luftfahrzeugen by
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294 4. Teil: Rechtsvereinheitlichung auf Gemeinschaftsebene
Dabei können die Kriterien 1.) bis 3.) und 6.) auch in Bezug auf alle anderen
Transportmittel, welche Gefahrgüter transportieren, bejaht werden. Die Kriterien
4.) und 5.) sind dagegen schwer zu beurteilen und können letztlich nur von den
Betroffenen geklärt werden. Die Entscheidung über die Pflichtversicherung darf
aber nicht von den Bedingungen des Versicherungsmarktes und der wirtschaftli-
chen Tragbarkeit der Prämien für die Haftpflichtigen abhängen, denn das Schutz-
interesse der Geschädigten ist jedenfalls höher zu bewerten. Die Einführung einer
Pflichtversicherung für Gefahrguttransporte ist somit zulässig und insbesondere
1440 .
zum Schutz der Geschädigten auch notwendig 1
Die Durchführung von Gefahrguttransporten sollte daher immer an die
Pflicht, eine Versicherung oder vergleichbare finanzielle Sicherheit (z.B. Bank-
bürgschaft) zu unterhalten, geknüpft sein, wobei der Inhalt sowie die Durchfüh-
rung der Pflichtversicherung möglichst ausführlich geregelt sein sollten, um Lü-
ckenfüllung durch nationales Recht und komplizierte kollisionsrechtliche Fragen
zu vermeiden.
Zur Erreichung der Kongruenz von Haftung und Deckung sollten die Min-
desteinlagen den Haftungshöchstsummen entsprechen. Zudem sollten lediglich
staatlich betriebene Fahrzeuge, welche ausschließlich im nichtgewerblichen staatli-
chen Dienst eingesetzt werden und keine Kriegsschiffe sind, von der Versiche-
rungspflicht befreit werden, vorausgesetzt dass eine Selbstversicherung vorliegt.
Zum Nachweis und zur Kontrolle ausreichenden Versicherungsschutzes sollte
ferner eine Versicherungsbescheinigung während des Transports mitgeführt wer-
den. Dabei sollte die zuständige Behörde bei der Ausstellung der Bescheinigung
nach Möglichkeit auch die Bonität des Versicherers berücksichtigen und vermer-
ken. Der Verstoß gegen die Versicherungspflicht sollte überdies mit angemessen
hohen Geldstrafen bewehrt sein.
Die Geschädigten sollten schließlich entsprechend dem Vorbild der CRTD die
Möglichkeit haben, den Versicherer des Schädigers direkt in Anspruch zu neh-
men. Zur Erreichung eines umfassenden Geschädigtenschutzes sollte der Versi-
cherer im Falle des vorsätzlichen Verschuldens des Haftpflichtigen die entstande-
nen Schäden bis zur Höhe der Haftungshöchstsummen ersetzen müssen. Nur bei
dieser Regelung ginge das Risiko nicht zu Lasten der Geschädigten. Der Versiche-
rer könnte selbstverständlich gegen den Schädiger Regress nehmen. Auch wenn
der Versicherer dann das Insolvenzrisiko des Schädigers zu tragen hat, darf diese
Last nicht unter dem Stichwort „allgemeines Lebensrisiko“ den Geschädigten
auferlegt werden, denn sie sind an den Gefahrguttransporten gänzlich unbeteiligt
und daher schutzwürdiger.
1440 Hinsichtlich der Gefahrguttransporte mittels Binnenschiffen so auch Lorenz, in: Probleme des
Binnenschiffahrtsrechts, Band X, S. 33 (47 f.).