Page 284 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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7.1 • Grundgesetz und Europa
Die an das Integrationsgesetz zu stellenden materiellen Materielle Anforderungen
Anforderungen regeln Art. 23 I 1 und 3 GG. Die Struktur-
sicherungsklausel des Absatzes 1 Satz 1 schreibt vor, welche
Elemente das vereinte Europa aufweisen muss, damit Deutsch-
land dort Mitglied sein kann und die Übertragung von Ho-
heitsrechten verfassungsrechtlich zulässig ist. Jedoch ist nicht
erforderlich, dass die dort genannten Voraussetzungen auf
europäischer Ebene in gleicher Weise ausgestaltet sind wie
auf nationaler. Unterschiede sind möglich. Ein gutes Beispiel
hierfür ist das Demokratiegebot. Die europäische Integration
darf weder zu einer Aushöhlung des Demokratieprinzips in
Deutschland führen, noch darf die EU grundlegende demo-
kratische Anforderungen verfehlen (BVerfG, Lissabonvertrag,
Rdnr. 244). Wie oben bereits unter dem Stichwort Demokratie-
defizit erläutert (▶ Abschn. 4.5.1) ist die Demokratie im Bereich
der Union noch nicht derart ausgebildet, wie man es von Nati-
onalstaaten gewohnt ist, dennoch entspricht sie grundlegenden
demokratischen Anforderungen.
Von besonderer Relevanz ist auch der Grundrechtsschutz. Grundrechtsschutz
Nach Abs. 1 Satz 1 müssen die Grundrechte des Europäischen
Unionsrechts den deutschen Grundrechten des GG „im we-
sentlichen“ entsprechen. Dies ist ein Hinweis auf den „So-
lange II“-Beschluss des BVerfG (BVerfGE 73, 339 ff.). Darin
hat das Gericht ausgeführt, dass die Grundrechte des GG ge-
gen Rechtsakte des sekundären Unionsrechts so lange nicht
angeführt werden können, wie der Grundrechtskatalog des
Unionsrechts dem des GG vergleichbar gut ist. Nach dem In-
krafttreten des Art. 23 GG hat das BVerfG noch einmal zum
Verhältnis der Grundrechte zum Gemeinschaftsrecht Stellung
genommen, und zwar im Urteil zu den Verfassungsbeschwer-
den gegen die Zustimmung zum EUV (BVerfGE 89, 155 ff.).
Dort hat es wiederum von einem Kooperationsverhältnis zwi-
schen BVerfG und EuGH beim Grundrechtsschutz gespro-
chen. Es hat aber auch festgestellt, dass es einen wirksamen
Grundrechtsschutz der Bürger der Bundesrepublik gegen ho-
heitliche Akte der Gemeinschaften generell sicherstellen wird.
Durch diese Formulierung weist das Gericht darauf hin, dass
primär für den Grundrechtsschutz gegenüber Rechtsakten der
Gemeinschaft der EuGH zuständig ist. Erst wenn der gebo-
tene Grundrechtsstandard seitens des EuGH nicht gewährt
werden sollte, ist eine Verfassungsbeschwerde an das BVerfG
möglich. Dessen Prüfungsmaßstab ist selbstredend nicht der
EUV/AEUV, sondern das GG, hier dann Art. 23 I GG. Prü-
fungsgegenstand sind alle Maßnahmen der deutschen öffent-
lichen Gewalt, die das Gemeinschaftsrecht vollziehen, sowie
in Grundrechte eingreifende Akte der Gemeinschaftsorgane
(BVerfGE 89, 155/175). Dies führt zu einer parallelen Recht-