Page 289 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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284  Kapitel 7  •  Vom Grundgesetz zum Europarecht


                                  tät der Bundesrepublik verstoßen würden (BVerfG, Vorratsda-
                                  tenspeicherung, Urt. v. 2.3.2010, Rdnr. 218). Das BVerfG prüft
                                  die Rechtmäßigkeit von Hoheitsakten der EU daran, ob sie
   2                              sich unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips in den Grenzen
                                  der ihnen im Wege der begrenzten Einzelermächtigung einge-
                                  räumten Hoheitsrechte halten.
          Ein weiteres wichtiges Urteil   In dem bereits mehrfach erwähnten Urteil vom 30.6.2009
          des BVerfG: Das Urteil zum   hat das BVerfG die Verfassungsmäßigkeit des deutschen Zu-
          Vertrag von Lissabon    stimmungsgesetzes zum VvL festgestellt, wobei jedoch einige
                                  Normen des VvL restriktiv ausgelegt werden müssen, um das
                                  deutsche Demokratieprinzip nicht zu verletzen. Prozessual
                                  waren mehrere Verfassungsbeschwerden und ein Organstreit
                                  gegen den Vertrag erhoben worden, was dazu führte, dass das
                                  BVerfG nur die Vereinbarkeit des Vertrages mit Art. 38 I 1 GG
                                  als grundrechtsgleichem Recht und mit den im GG verbürgten
   7                              Rechten des BT prüfen konnte.
                                     Materiell urteilte das Gericht in einer sehr umfangreichen
                                  Begründung, dass Art. 38 I 1 GG einen Anspruch auf demo-
                                  kratische Selbstbestimmung, auf freie und gleiche Teilhabe an
                                  der deutschen Staatsgewalt und auf Einhaltung des Demokra-
                                  tiegebots beinhalte. Bestandteil des Demokratieprinzips ist
                                  die Einfügung Deutschlands in eine europäische Friedens-
                                  ordnung. Mithin wird die Bundesrepublik durch Art. 23 GG
                                  an der Beteiligung eines Staatenverbundes ermächtigt. Das
   2                              BVerfG zieht jedoch eine klare Integrationsgrenze. Das GG
                                  gestatte nicht den Eintritt in einen europäischen Bundesstaat
                                  und damit die Aufgabe der völkerrechtlichen Souveränität des
   2                              deutschen Volkes. Dies gehe nur nach einem Referendum, in
                                  dem der unmittelbar erklärte Wille des deutschen Volkes zum
   2                              Ausdruck komme. Folglich ist die Übertragung einer Kom-
                                  petenz-Kompetenz auf die EU verfassungsrechtlich deutlich
                                  untersagt. Die MS der EU sind die Herren der Verträge, dem-
   2                              zufolge muss der Kerngehalt der Verfassungsidentität der MS
                                  gewahrt bleiben. Die Staatselemente Deutschlands bleiben
   2                              erhalten und die Unionsbürgerschaft ist nur eine abgeleitete,
                                  keine originäre. Das BVerfG behält sich überdies die zukünf-
   2                              tige Prüfungskompetenz vor, ob die Integration zu weit fort-
                                  geschritten ist.
                                     Weiter führt das BVerfG aus, dass die EU nicht „staatsana-
   2                              log“ aufgebaut sei und deshalb im Rahmen der Wahlrechts-
                                  grundsätze nicht dem strikten Verständnis eines Bundesstaates
   2                              folgen muss, so dass die nicht proportionale Sitzverteilung im
                                  EP unschädlich ist. Die EU als internationale, supranationale
                                  Organisation darf nur dem Prinzip der begrenzten Einzeler-
   2                              mächtigung folgen. Die neu eingeführten Vertragsänderungs-
                                  verfahren (Art. 48 VI EUV) dürfen nicht zu einer Ausdehnung
                                  der EU-Kompetenzen führen und Bedürfen eines Gesetzes im
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