Page 293 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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288  Kapitel 7  •  Vom Grundgesetz zum Europarecht


                                  lekommunikation. Allerdings bezieht sich Art. 73 Nr. 7 GG allein
                                  auf rein sendetechnische Aspekte des Rundfunkwesens. (st. Rspr.
                                  des BVerfG seit dem ersten Fernsehurteil, BVerfGE 12, 205); eine
   2                              Befugnis zur Regelung von Programminhalten kann daraus nicht
                                  abgeleitet werden. Also liegt eine ausschließliche Gesetzgebungs-
                                  zuständigkeit nach Art. 73 Nr. 7 GG nicht vor.
                                  2.  Konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit, Art.  Art.  74  I
                                  Nr. 11 GG i. V. m. Art. 72 II GG
                                  Zu untersuchen ist, ob dem Bund eine konkurrierende Gesetzge-
                                  bungsbefugnis nach Art. 74 I Nr. 11 GG zukommt. Die Bundesre-
                                  gierung beruft sich vorliegend darauf, die Richtlinie befasse sich
                                  mit Problemen der Werbewirtschaft. Die Klammeraufzählung in
                                  Art. 74 I Nr. 11 GG wird allgemein als nicht abschließend angese-
                                  hen, so dass auch andere Materien unter das „Recht der Wirtschaft“
                                  subsumiert werden können. Insbesondere könnte die Veranstal-
   7                              tung von Fernsehsendungen und damit auch die Fernsehwerbung
                                  unter den Begriff „Wirtschaft“ i. S. v. Art. 74 I Nr. 11 GG fallen.
          Die a. A. beruft sich darauf,   Die noch h. M. lehnt dies aus systematischen Erwägungen heraus
          dass Werbung nicht zum Pro-  ab. Aus Art. 5 I 2 GG lasse sich ersehen, dass die Veranstaltung
          gramminhalt gehöre und nicht   von Rundfunksendungen nicht als wirtschaftliche Betätigung im
          dem speziellen Schutz des   eigentlichen Sinne angesehen wird. Rundfunk und Fernsehen
          Art. 5 I 2 GG unterfalle.  seien mehr als bloße wirtschaftliche Betätigung, sondern auch
                                  Betätigung der freien Meinungsäußerung.
                                  Nach der h. M. scheidet eine Bundeskompetenz nach Art. 74 I
   2                              Nr. 11 GG aus.
                                  4. Zwischenergebnis:
                                  Der Bund hatte kein innerstaatliches Recht zur Gesetzgebung;
   2                              Nach der Kompetenzregelung der Art. 70 ff. GG lag die Befugnis
                                  zur Gesetzgebung vielmehr ausschließlich bei den Ländern.
   2                              II. Im Schwerpunkt betroffen
                                  Art. 23 VI GG greift nur ein, wenn im Schwerpunkt Gesetzge-
   2                              bungsbefugnisse der Länder betroffen sind. Dies ist im Einzelfall
                                  unter sorgfältiger Abwägung der Einzelelemente und des Rege-
                                  lungszweckes der Gemeinschaftsmaßnahme festzustellen. Das
   2                              Merkmal ist insbesondere erfüllt, wenn die betreffende Materie
                                  im Mittelpunkt des Vorhabens steht.
   2                              Die Richtlinie regelt die Fernsehwerbezeiten: Hierfür liegt keine
                                  Bundeskompetenz vor, deshalb liegt die geregelte Materie allein
                                  im Zuständigkeitsbereich der Länder und eine Betroffenheit im
   2                              Schwerpunkt ist zu bejahen.
                                  III. „Soll“ die Wahrnehmung der Rechte
   2      Soll-Vorschrift         Die Wahrnehmung der Rechte geht laut Art. 23 VI GG nicht automa-
                                  tisch auf einen Vertreter der Länder über, die Norm stellt nur eine
   2                              „Soll“-Vorschrift dar. „Soll“ bedeutet, dass in der Regel die Wahrung
                                  der Mitgliedschaftsrechte in der Europäischen Union vom Bund
                                  auf einen vom BRat benannten Vertreter der Länder zu übertragen
                                  ist. Eine Ausnahme liegt nur vor, wenn besondere, etwa durch die
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