Page 295 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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290 Kapitel 7 • Vom Grundgesetz zum Europarecht
Das EuZBLG sieht in § 5 ein ausgeklügeltes Verfahren der Berück-
sichtigung vor. Fraglich ist, ob § 5 II 5 verfassungsgemäß ist, da er
einen zwangsläufigen Vorrang der Meinung des BRates bestimmt.
2 Im Bejahensfalle ist § 5 vorliegend verletzt, da die BReg. das Ver-
fahren der Vorschrift nicht eingehalten hat und eine maßgebliche
Berücksichtigung nicht vorlag.
Art. 23 II, IV und V GG i. V. m. Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man auf die oben wie-
§ 5 EUZBLG stellen eine Kon- dergegebene allgemeine Definition abstellt, da die BReg. einen
kretisierung des ungeschrie- Ausgleich nicht gesucht hat.
benen verfassungsrechtlichen II. Integrationspolitische Erwägungen
Grundsatzes der Bundestreue Auch die Berufung der Bundesregierung auf die Tatsache, dass die
und der Pflicht zur redlichen Richtlinie auch bei einer deutschen Gegenstimme verabschiedet
Zusammenarbeit zwischen worden wäre, kann nicht durchdringen. Entscheidend ist vielmehr
den Bundesorganen dar. Dabei allein, dass die Bundesregierung das Verfahren zur „maßgeblichen
gestaltet Art. 23 GG i. V. m. dem Berücksichtigung“ nicht eingehalten hat.
7 EUZBLG (falls es nicht gegen Die Bundesregierung hat den Bundesrat in seinen Beteiligungs-
das GG verstößt!) die aus dem rechten aus Art. 23 V 2 GG verletzt.
Grundsatz der Bundestreue C. Ergebnis
geschuldete gegenseitige Das Vorgehen der BReg. ist formell verfassungswidrig. Eine Ände-
Rücksichtnahme von Bund und rungspflicht für die Vergangenheit seitens der BReg. lässt sich aus
Ländern näher aus und hebt dem Urteil allerdings nicht herleiten.
sie auf die Ebene des Verhält-
nisses zwischen Bundesor-
ganen. 7.2 Wiederholungsfragen
2
? 1. Warum wurde der neue Art. 23 in das GG eingefügt?
2 2. Was ist eine Struktursicherungsklausel?
3. Was sagt der „Solange II“-Beschluss zum Verhältnis
2 europarechtlicher und deutscher Grundrechte aus?
4. Wie äußert sich das Maastricht-Urteil des BVerfG zu
dieser Frage?
2 5. Besteht die Gefahr der Aushöhlung von Länderkompe-
tenzen?
2 6. Betreffen die Abs. 2 bis 6 des Art. 23 GG die Übertra-
gung von Hoheitsrechten an Union? Wie wird der
Bundestag an der Rechtsetzung in Europa beteiligt?
2 7. Gibt es eine gesetzliche Konkretisierung des
Art. 23 GG?
2 8. Kann der Bundesrat u. U. einen Vertreter zur Abstim-
mung im EU-Ministerrat bestimmen?
2 9. Wie unterscheiden sich Abs. 5 und 6 des Art. 23 GG?
10. Was bedeutet im Schwerpunkt betroffen?
2 11. Was bedeutet maßgebliche Berücksichtigung?
12. Welche Grenzen der Integration hat das BVerfG in
seinem Lissabon-Urteil festgestellt?