Page 285 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
P. 285

280  Kapitel 7  •  Vom Grundgesetz zum Europarecht


                                  sprechungszuständigkeit von EuGH und BVerfG und der Mög-
                                  lichkeit eines Justizkonfliktes, der durch das vom BVerfG pos-
                                  tulierte Kooperationsverhältnis zwischen BVerfG und EuGH
   2                              entschärft wird (BVerfGE 89, 155/175).
                                     Zur Beurteilung der Zulässigkeit eine Verfassungsbe-
                                  schwerde sind die im „Bananenmarktordnungsbeschluss“
                                  (BVerfGE 102, 147/164) genannten Kriterien heranzuziehen.
                                  Danach sind Verfassungsbeschwerden nach Art. 93 I Nr. 4 GG
                                  und konkrete Normenkontrollen nach Art. 100 I GG unzu-
                                  lässig, wenn in der Begründung nicht im Einzelnen dargelegt
                                  wird, dass der Standard des Unionsrechts einschließlich der
                                  Rechtsprechung des EuGH unter den erforderlichen Grund-
                                  rechtsstandard abgesunken und somit der unabdingbar gebo-
                                  tene Grundrechtsschutz generell nicht gewährleistet ist. Nach
                                  dem BVerfG ist zur Beurteilung eine Gegenüberstellung des
   7                              Grundrechtsschutzes auf nationaler und auf unionsrechtlicher
                                  Ebene erforderlich. In praxi führt diese Rechtsprechung zu ei-
                                  nem kaum zu überwindenden Hindernis, so dass Vorbringen
                                  nach Art. 93 I Nr. 4 a GG und Art. 100 I GG gegen unions-
                                  rechtliche Rechtsakte in aller Regel als unzulässig anzusehen
                                  sind und der oben erwähnte Justizkonflikt so entschärft wird.
                                  Im Falle der Ungültigkeitserklärung einer Richtlinie durch
                                  den EuGH verbleibt Raum für eine Prüfung an den deutschen
                                  Grundrechten (BVerfGE 118, 79/97). Die Struktursicherungs-
   2                              klausel verlangt demnach nur eine grundsätzliche Überein-
                                  stimmung der in Abs. I S. 1 genannten Prinzipien.
          Ewigkeitsgarantie          Neben  der  Struktursicherungsklausel  ist  auch  noch
   2                              Art. 23 I 3 GG i. V. m Art. 79 III GG, die sog. „Ewigkeitsga-
                                  rantieklausel“, zu beachten. Danach darf sich der deutsche
   2                              Gesetzgeber nur in ein vereintes Europa integrieren, welches
                                  die dort genannten Grundsätze nicht verletzt. Die Vorschrift
                                  ist eine absolute Integrationsschranke. Bei einem Verstoß ist
   2                              das deutsche Zustimmungsgesetz nichtig, im Verhältnis zur
                                  EU bestimmen sich die Rechtsfolgen nach dem Völkerrecht
   2                              (Art. 27, 46 WVK als Ausdruck von Völkergewohnheitsrecht).
                                  Das BVerfG überprüft die Einhaltung im Wege der sog. „Iden-
   2                              titätskontrolle“. Welche neben die „ultra vires“-Kontrolle, wo-
                                  nach jeder kompetenzverletzende Unionsrechtsakt ungültig
                                  ist, tritt.
   2      Beteiligung von Bundestag   Die Absätze 2 bis 6 der Vorschrift betreffen nicht die Über-
          und Bundesrat           tragung von Hoheitsrechten an die Union, respektive auch
   2                              nicht die Schaffung von Kompetenzen bei Union, sondern
                                  sie richten sich nach innen. Es geht um die innerstaatliche
                                  Kompetenzverteilung bei der Gestaltung der deutschen Mit-
   2                              wirkung in der Union. Die Regelungen sind aus zwei Grün-
                                  den von besonderer Relevanz. Zum einen geht aufgrund des
                                  föderalen Staatsaufbaus der Bundesrepublik grundsätzlich
   280   281   282   283   284   285   286   287   288   289   290