Page 77 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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          3.5  •  Wiederholungsfragen


          aus, dass die Festnahme der weiblichen Beschwerdeführerin K, die
          zu erheblichen Verletzungen geführt habe, nicht verhältnismä-
          ßig gewesen sei. Diese Begründung erscheint richtig. Es ist kaum
          ersichtlich, warum die Beamten Gewalt im gegebenen Umfang
          anwenden mussten.
          b) K/Art. 8 EMRK. Zu prüfen ist weiter, ob durch das Handeln der
          Polizisten eine Verletzung des Gebotes der Achtung der privaten
          Sphäre gegeben ist. Die Polizei hat als öffentliche Behörde gem.
          Art. 8 II EMRK teilweise auch auf einem Privatgrundstück die K
          verletzt. Darin könnte ein unzulässiger Eingriff liegen. Der Eingriff
          war aber wiederum nur unzulässig, wenn er nicht „notwendig“
          gemäß Art. 8 II EMRK war.
          Ob eine Verletzung des Art. 8 vorliegt, ist wiederum eine Frage der
          guten Begründung. Nach dem zu Art. 3 Gesagten ist die Bejahung
          der Verletzung des Art. 8 gut vertretbar. Die MrK hat Art. 8 wegen
          der Bejahung des Art. 3 nicht geprüft und die Prüfung dem EGMR
          überlassen. Dieser hat eine Verletzung abgelehnt.
          c) M/Art. 3 EMRK. Fraglich ist, ob die Umstände der Festnahme der
          Mutter M in ihrem Recht aus Art. 3 EMRK verletzen. Grundsätzlich
          ist es möglich und sogar wahrscheinlich, dass ein Kind durch das
          Mitansehen der Verhaftung und Verletzung der Mutter psychisch
          erheblich beeinträchtigt wird. Zu prüfen ist aber, ob darin eine
          unmenschliche oder erniedrigende Behandlung liegt. Abzuwägen
          ist hier, ob das Handeln der Polizisten notwendig war. Sieht man
          es schon bei K als unnötig an, so war es in Bezug auf M ebenso
          unnötig. Allerdings erscheint es sinnvoll, die Schwelle für eine
          indirekte und psychische Beeinträchtigung, nämlich durch die
          Beeinträchtigung einer anderen Person, höher anzusetzen als für
          eine direkte unmenschliche Behandlung. Daher ist im Falle der M
          eine Verletzung des Art. 3 nicht gegeben.
          d) M/Art. 8 EMRK. Eine Verletzung des Art. 8 EMRK könnte man
          als gegeben ansehen, weil die psychische Integrität auf privatem
          Grund besonders geschützt ist.


          3.5  Wiederholungsfragen



          ?   1.   Was ist die Grundlage des Europarates und wie viele
               Mitglieder hat er? Lösung ▶ Abschn. 3.1
            2.  Kann die EU Mitglied des Europarates werden? Lösung
               ▶ Abschn. 3.1
            3.  Welche Organe hat der Europarat? Lösung ▶ Ab-
               schn. 3.1
            4.  Was für Regelungen enthält die EMRK? Lösung ▶ Ab-
               schn. 3.2
            5.  Was ist ein Zusatzprotokoll? Lösung ▶ Abschn. 3.2
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