Page 83 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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          4.1  •  Grundlagen der Union


          tionierenden Organstruktur heben, um die Fehler von Nizza
          zu beheben. Die Akzeptanz des VV in der Bevölkerung der
          MS war gering, weil häufig die Befürchtung bestand, die EU
          würde durch die vom VV eingeführten staatsähnlichen Sym-
          bole Flagge, Hymne, Außenminister, Verfassung, festgeschrie-
          bener Vorrang des Unionsrechts vor dem nationalen Recht zu
          einem föderalen Superstaat werden. Der VvL nimmt formal
          Abschied von diesen Bezeichnungen, materiell hält er jedoch
          weite Teile des VV aufrecht.
            Ursprünglich folgte die Struktur der Union dem soge-
          nannten Tempelmodell. Der EUV war das Dach über den drei
          Säulen EGV, GASP und PJZS. Nunmehr wurden die Säulen
          durch den VvL in den EUV/AEUV integriert, so dass eine ein-
          heitliche, rechtlich gleichwertige Betrachtung angezeigt ist. Zu
          beachten ist, dass im Bereich der GASP weiterhin viele Spezi-
          alrechte gelten, so dass von dem faktischen Weiterbestehen der
          Säulen innerhalb des Ganzen gesprochen werden kann. Der
          EUV ist in sechs Titel unterteilt. Titel I enthält gemeinsame,
          grundlegende Bestimmungen.

            Art. 1 EUV – Grundlagen der Europäischen Union
            Durch diesen Vertrag gründen die Hohen Vertragsparteien
            untereinander eine Europäische Union (im Folgenden „Union“),
            der die Mitgliedstaaten Zuständigkeiten zur Verwirklichung ihrer
            gemeinsamen Ziele übertragen.
            Dieser Vertrag stellt eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer
            immer engeren Union der Völker Europas dar, in der die Entschei-
            dungen möglichst offen und möglichst bürgernah getroffen
            werden.
            Grundlage der Union sind dieser Vertrag und der Vertrag über die
            Arbeitsweise der Europäischen Union (im Folgenden „Verträge“).
            Beide Verträge sind rechtlich gleichrangig. Die Union tritt an die
            Stelle der Europäischen Gemeinschaft, deren Rechtsnachfolgerin
            sie ist.



          Art. 1 EUV ist die grundlegende Bestimmung des Vertrags,   Grundlegende Vorschrift
          sein Absatz 3 stellt klar, dass die Union Rechtsnachfolgerin der
          EG ist und dass der EUV und der AEUV rechtlich gleichrangig
          sind. Art. 2 EUV enthält eine abschließende Aufzählung der
          generellen, abstrakten Werte, auf die sich die Union gründet
          und die allen Mitgliedstaaten gemein sind. Hierzu zählen die
          Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleich-
          heit,  Rechtsstaatlichkeit und  die Wahrung  der  Menschen-
          rechte. Die Menschenrechte werden durch Art. 6 EUV und
          die Grundrechte-Charta besonders geschützt.
            Die Ziele der Union und ihre Verwirklichung sind in Art. 3
          EUV niedergelegt.
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