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G U TE S  LE B E N

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           Urban Farming                                                            LEBEN







           Klimawandel, Finanzkrisen und Kriege   Welle  –  doch  war  diese  nicht  ökono-  tenen Produkte, die vom Quinoasalat bis
           drängen zur  Suche nach  Alternativen   misch genug. Zweitens gibt es seit den   zur Fischbratwurst reichen, nicht nur im
           zum derzeitigen Produktions- und Kon-  80ern  Aquaponiks  –  doch  sind  diese   eigenen  Hofladen  erhältlich  sind,  son-
           summodell. Kann es eine solidarischere   oft nicht ökologisch genug, da sie eher   dern  inzwischen  auch  via  Velo-Liefer-
           Welt  ohne  Wachstumszwang  und  mit   sterilen Laboren gleichen, in denen Mo-  service  an  Privatpersonen,  Restaurants
           Glück und gutem Leben für alle geben?   nokulturen  sprießen.  Aquaterraponik   und Firmen geliefert werden. Stadtfarm,
           Vielleicht ja, wenn wir den Weg der Suf-  versucht  diese  beiden  Fehler  der  Ver-  das ist wie ein florierender Bauernhof –
           fizienz gehen, also des Maßhaltens. Eine   gangenheit auf innovative Weise zu be-  nur eben im urbanen Raum im digitalen
           ökologische Transformation unserer lo-  heben,  indem  es  auf  Wirtschaftlichkeit   Zeitalter.
           kalen Lebensverhältnisse ist ein Anfang   und Nachhaltigkeit setzt. Ein wichtiger
           – zum Beispiel mit Urban Farming. Erik   Schritt  dazu:  den  Nährstoffkreislauf   Wenn man Anne-Kathin Kuhlemann zu-
           Norman Dzwiza beschreibt, was das ist   konsequent  schließen.  So  werden  die   hört, wie sie aktuell die Energieversor-
           und wie es in Berlin bereits umgesetzt   Ausscheidungen  der  besonders  stress-  gung  der  Stadtfarm  auf  Biomasse  um-
           wird.                             resistenten Afrikanischen Welse (clarias   stellt  oder  die  Futtermittelproduktion
                                             gariepinus) erst von Bakterien und dann   konsequent  auf  vegetarische  Kost  aus
           „Ohne  gesunden  Planeten,  kein  gesun-  von  Regenwürmern  zersetzt  und  so  in   der  Region  ausrichtet  und  deswegen
           der  Mensch“  –  das  ist  das  Credo  von  Düngemittel  für  die  Pflanzen  verwan-  mit  zahlreichen  regionalen  Anbietern
           Anne-Kathrin  Kuhlemann,  Unterneh-  delt, die wiederum das Wasser filtern, in   kooperiert, dann dürften nicht nur grü-
           merin,  Mutter  und  Geschäftsführerin  dem die Welse leben.       ne Herzen höher schlagen. Ihr Handeln
           von „Stadtfarm“. Stadtfarm ist laut den                            ist  Ausdruck  eines  grünen  Wirtschaf-
           Betreibern Europas größte                                                     tens,  das  Unternehmer-
           gläserne Anlage dieser Art,                                                   geist  mit  Nachhaltigkeit
           gelegen  im  Landschafts-                                                     auf  eine  undogmatische
           park  Herzberge  in  Berlin.                                                  Weise  verbindet  und  so
           Diese produziert seit 2017                                                    die  zahlreichen  Proble-
           auf  gut  2500qm  „jährlich                                                   me  der  konventionellen
           50  Tonnen  Afrikanischen                                                     Lebensmittelproduktion
           Wels und 30 Tonnen Salat,                                                     angeht  –  wie  z.  B.  Arten-
           Kräuter, Tomaten und Gur-                                                     sterben,  Tierleid,  Struk-
           ken  aber  auch  Exotisches                                                   turwandel,  Lebensmittel-
           wie Bananen, Ceylonspinat                                                     verschwendung  sowie  der
           oder Maracuja. Auch wenn                                                      Verschmutzung  von  Was-
           es sich dabei um ein Pilot-                                                   ser, Luft und Erde. Bei aller
           projekt eines noch jungen                                                  Foto: Julia Schmidt  Genialität  der  Stadtfarm
           Start-ups  handelt,  könnte                                                   bleibt aber doch ein großer
           das  Konzept  die  Lebens-  Seit 2017 gibt es Europas größte gläserne AquaTerraPonik-Stadtfarm im   Makel  bestehen:  Dass  wir
           mittelproduktion  revolu-  Landschaftspark Herzberge in Berlin, die jährlich 50 Tonnen Afrikanischer   Kölner so etwas noch nicht
           tionieren.  Warum  das  so  Wels und 30 Tonnen Salat, Kräuter, Tomaten etc. erzeugt.   haben! Doch: Anne-Kathrin
           ist,  erklärt  Anne-Kathrin                                                  Kuhlemann  plant  schon
           Kuhlemann.                        Das Ergebnis kann sich sehen und hören   Stadtfarmen  für  10  weitere  urbanen
                                             lassen:  „In  unserem  System“,  so  heißt   Regionen.  Welche  das  sind,  verrät  sie
           Das Zauberwort lautet: AquaTerraPonik.  es auf der Homepage, „kommen weder   noch nicht. Wir dürfen gespannt sein.
           Es  hilft,  vermeintliche  Gegensätze  –  Hormone noch Antibiotika zum Einsatz,
           wie Ökologie und Ökonomie, Urbanität  genauso wenig wie Pestizide oder Her-  Weitere  spannende  Infos  rund  um  die
           und  Landwirtschaft  oder  Regionalität  bizide.  Durch  die  nachhaltige  und  res-  Stadtfarm findet ihr unter:
           und  Vielfalt  –  miteinander  zu  verbin-  sourcenschonende Methode sparen wir   https://www.stadtfarm.de/
           den.  Welches  Prinzip  steckt  aber  hin-  80 % des Wassers, 80 % der Fläche und
           ter  diesem  Wort?  Einfach  gesagt:  Die  85  %  des  CO 2 -Ausstoßes  konventionel-  Ein  Interview  mit  Anne-Kathrin  Kuhle-
           Nachahmung der Natur. Es geht darum,  ler  Erzeugnisse!“  Auf  diese  Weise  ent-  mann findet ihr unter
           in  geschlossenen  Kreisläufen  symbio-  stehen  nicht  nur  ethisch  vertretbarere   https://perspektivegesundheit.de/
           tische  Beziehungen  zwischen  Pflanze,  Lebensmittel (der Afrikanische Wels ist   stadtfarm-urban-food/
           Tier  und  Umwelt  künstlich  herzustel-  einer der wenigen Speisefische, dessen
           len und auf diese Weise ökologisch und  Verzehr von WWF und Greenpeace emp-  Infos zu einem ähnlichen Projekt in der
           ökonomisch  zugleich  zu  produzieren.  fohlen  wird),  sondern  auch  regionale   Region Köln-Bonn (StadtFarmNRW) fin-
           In der Vergangenheit wurde das immer  und  gesunde  Lebensmittel,  die  uns  als   det ihr unter
           wieder  versucht,  wie  zwei  Beispiele  Konsumenten  dabei  helfen,  unseren   https://www.landwirtschaftskammer.
           deutlich machen: Erstens gab es bereits  CO 2 -Fußabdruck  zu  reduzieren.  Prak-  de/landwirtschaft/landentwicklung/
           in den 70er Jahren eine Urban-Farming-  tisch, dass die zu fairen Preisen angebo-  stadtfarm/index.htm




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