Page 69 - Taschenbuch Michel Grassart, Abbè Pierre die Wahrheit...
P. 69
tens: Wir bewundern dich, wir sind echt geschockt und
das Ganze macht uns auch recht traurig. Ich entwickelte
mich zu einem wunderschönen Kaktus am Straßenrand,
ich sollte nur gesehen werden von Menschen mit reinem
Herzen, die ehrlich durchs Leben gingen. Jeder Mensch
hat eine Schwachstelle irgendwelcher Art im Leben, so-
mit braucht er ein Fundament an Geborgenheit, um mit
den Einflüssen des Lebens fertigzuwerden. Nicht jeder
schafft es zu überleben, das Leben anzunehmen und sich
den Problemen zu stellen. In unserer egoistischen Gesell-
schaft ist das kein leichtes Unterfangen. Lieber weniger
Freunde im Leben als solche, die mir meine gute Energie
anzapften und mich unnütz ausnützten und in den Dreck
zogen. Mein Personalchef in der Lehre rief mich mal zu
sich und erklärte mir: Michel, ich habe erkannt, dass du
ein Einzelgänger bist, denn die Menschheit ist wie eine
Schafherde: Wenn der Leithammel ruft, folgen ihm alle in
den Abgrund. Du bist wie ein Stier, gehst gemächlich
übers Land und riechst einmal links und rechts an den
Blumen, nimmst die Natur in vollem Umfang wahr; die
Mehrheit nimmt die Natur gar nicht mehr wahr. Die an-
dern nehmen drei Stufen auf einmal, um zum Ziel zu
gelangen, du aber brauchst nur eine Stufe, denn du hast
dein Ziel vor Augen. Schlussendlich erreichen beide ihr
Ziel gleichzeitig, du vielleicht sogar vorher. Nun möchte
ich aber erzählen, wie es zur Entscheidung kam, dass ich
nach Israel gehen sollte. Der Pfarrer, ich bezahle dir eine
Reise nach Israel, du musst dringend dieses Volk kennen-
lernen, das ist sehr wichtig für deine Zukunft und für dein
weiteres Leben. Ich dachte: Das Heilige Land, okay, mal
schauen, was da wirklich abläuft! Als ich im Kibbuz Gvat
ankam, wurde ich in die sozialistische Arbeitsweise ein-
69