Page 70 - Taschenbuch Michel Grassart, Abbè Pierre die Wahrheit...
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geteilt. Das war neben anderen Arbeiten, Waffen in Fab-
riken herzustellen. Oliven oder Zitrusfrüchte zu pflücken,
Hühnerfarmen zu betreuen, sechs bis acht Stunden pro
Tag. Nebenbei, als ich in einem Kibbuz auf der Hühner-
farm arbeitete, da gab es ab und zu auch kranke Hühner
oder welche, die kurz vor dem Sterben waren! Bei einem
sehr kranken Tier versuchte ich Sterbehilfe zu leisten,
aber dem Kibbuz gefiel das überhaupt nicht. Sie sagten
mir dann klar und deutlich: Michel, diese kranken Tiere
verkaufen wir an die Araber, die gesunden behalten wir
für uns. Das gefiel mir in keiner Art und Weise, und ich
nahm dem kranken Hahn das Leben. Ich bekam neben
Kost und Logis auch dreißig Franken im Monat. Ich wurde
in das Heilige Land gesandt, um im Namen der Kirche
Waffen herzustellen, so wie viele andere Glaubensrich-
tungen ihre Schafe sandten, um Waffen herzustellen.
Einige Kibbuzim stellten zehn Prozent her, aber es gab
auch Kibbuzim im Land, die stellten hundert Prozent
Waffen her, das waren auch die größten Kibbuzim. Für
mich war das sehr makaber. Das alles im Namen Gottes,
im Heiligen Land. Jetzt verarbeitet man das Vergangene,
indem man auf den Palästinensern den ganzen Frust
sowie das ganze Leid ablädt, nach allem, was im Zweiten
Weltkrieg ablief, so kam es mir vor. Ich sehe die Palästi-
nenser als Leidtragende der Nachkriegsgeschichte der
Juden. In Acre lernte ich einen Palästinenser kennen,
dem hatte man im Rücken einen Nerv durchtrennt, damit
er nie mehr schlafen konnte, der Kreis hatte sich ge-
schlossen, Zweiter Weltkrieg. Eines Tages rief ich meine
Pflegemutter an, denn ich hatte gerade einen geistigen
Quantensprung. Als ich im Kibbuz Beit Alpha war, fragte
ich sie: „Wird bei euch in der Schweiz gerade ein jüdi-
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