Page 73 - Taschenbuch Michel Grassart, Abbè Pierre die Wahrheit...
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einmal – ist das typisch jüdisch? Ich verstehe das Ganze
nicht so recht, speziell nach so einem Leidensweg, ewi-
gen Jammern um Gerechtigkeit der Vergangenheit. Aber
die Beduinen haben die Jüdin aufgenommen wie ein
Familienmitglied, das nenne ich Menschlichkeit, speziell
im Krieg und konfrontiert mit Ungerechtigkeiten sowie
Strapazen, denen die Beduinen und Palästinenser täglich
ausgesetzt sind. Warum müssen die Juden sich denn so
abgrenzen, wieso bilden sie denn keine Einheit? Was ist
das, oder was steckt wirklich dahinter, das fragte ich
mich die ganze Zeit. Nebenbei erwähnte der Beduine,
der mit der Jüdin verheiratet war: Entweder arbeitet
Michel für den Geheimdienst Shin Bet oder Mossad, oder
sonst ist er wirklich ein echter Freund zu uns. Keine Angst
meine lieben Beduinen oder Beduinenfamilie, ich würde
nie für den israelischen oder einen sonstigen Geheim-
dienst arbeiten, die haben nie mein Wissen, meine Stär-
ke und meine Ehrlichkeit. Nein, ich liebe euch von gan-
zem Herzen und aus meiner tiefsten Seele, ihr seid mein
Volk und mein Leben. Dafür verjagten mich die Bosse aus
dem Kibbuz, denn ich sollte mich entscheiden: entweder
Zionisten oder Araber. Ich ließ mich noch nie im Leben
unter Druck setzen, und außerdem war das gar keine
Herausforderung, denn meine Familie war die Beduinen-
familie Mazarib, unterhalb von Nazareth. Aber ich hatte
auch Freunde in Nazareth, Jericho, Westbank, Genin,
Gaza, Nablus, Ramallah sowie in anderen Städten. Auch
empfinde ich die Palästinenser als meine Familie. Sicher
gibt es überall auch wenige schwarze Schafe. Am Schluss
musste ich den Kibbuz verlassen, denn die Führung woll-
te keine Nazis bei sich – was habe ich mit Nazis zu tun!
Diese Sprüche kamen von Menschen, die in Dachau und
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