Page 78 - Taschenbuch Michel Grassart, Abbè Pierre die Wahrheit...
P. 78
ben, und in meinen Augen waren und sind sie hundert-
mal ehrlicher als viele andere Menschen. Sie gaben mir
auch zu verstehen, dass ich WERTVOLL bin und zu ihnen
gehöre, Beduinen, ihr seid mein Leben, mein Seelenspie-
gel, ich liebe euch von tiefstem Herzen, ich denke täglich
an euch, ihr seid keine primitiven Menschen, ihr seid
humaner und nicht so degeneriert wie viele aus der mo-
dernen Gesellschaft. In Israel seid ihr für mich First Class
People, innigsten Dank. Die Beduinen, sie sind ein stolzes
Volk. Auch ihr Essen schmeckt viel besser als das der
Israeli. War nicht Abraham auch ein Beduine? Nebenbei
war das Land immens teuer, mindestens 12 % MwSt in
dieser Zeit. Wenn bei uns ein Fernseher 3000 Sfr. koste-
te, war der in Israel mindestens 9000 – 12000 SFR. wert.
Wer nach Israel einwandern wollte, hatte keine Proble-
me, das Tor war immens weit offen und das ist es bis
heute; aber wenn jemand irgendwelcher Nation, inklusi-
ve Israeli wieder raus wollte, musste er weit über sein
Budget eine Entschädigung bezahlen, damit er ausreisen
durfte. Dabei wurde das Tor sehr, sehr eng und bleibt es
bis heute. Ich lernte einige Israeli kennen, die unter die-
sem Druck fast zugrunde gingen, denn kaum wollten sie
ausreisen, bekamen sie die Repressalien des Staates zu
spüren und bekamen nur noch das Nötigste an finanziel-
len Mitteln, um zu überleben. Aber die lieben Araber,
selbst in den besetzten Gebieten, gaben mir Mut und
Liebe, was will man mehr! Es sind auch meine Brüder
und Schwestern. Ich denke jeden Tag an sie, und meine
Seele fühlt mit ihnen. Eines Tages sagte ein Beduinen-
bruder zu mir: Michel, was denkst du wie lange es
braucht, bis wir Freunde sind? Ich sagte nur: Wenn ich
an die Schweiz denke, sicher ein Jahrzehnt, wenn über-
78