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Auszüge aus dem Diskussionsverlauf
Moderation: Siglinde Lang
SIGLINDE: Kunst in ländlichen oder peripheren Kann oder muss so ein Bedürfnis hineingetra-
Regionen ist aktuell ein sehr zentrales Thema. gen werden, damit auch mehr Menschen vor
Warum? Ort sich darauf einlassen?
GERD: Ich glaube, es gibt da gerade einen KIM: Ich glaube, das ist ortsabhängig. Es gibt
Perspektivenwechsel. Ganz vereinfacht ausge- Chancen, wenn wer von außen kommt und
drückt: Die Kultur geht jetzt aufs Land, weil es das ganz anders sieht. Es ist beides irgendwie.
da zeitgenössische Kultur noch nicht gegeben Die, die noch da sind, sind eher die Zufriedenen.
hat. In den Städten sucht man sich hingegen Die anderen gehen eh weg – das ist zumindest
eher wieder so ländliche Dinge wie Kochen, meine Erfahrung am Land. Aber es gibt jetzt
Gärtnern oder Stricken. auch einen neuen Trend, mit Mitte 30 oder
KIM: Ich finde aber auch Brauchtum am Land nach dem Studium wieder in die Peripherie zu
extrem spannend, vielleicht weil ich von dort ziehen, wo ich es nicht weit in die Stadt habe
herkomme. Wenn ich von außen komme und oder mobil arbeiten kann.
etwas bespiele, ist das etwas anderes, als GERD: Ich denke, es geht darum, ein Equi-
wenn ich von dort bin. librium zu finden zwischen den Bedürfnissen P-ART IMPULS
PUBLIKUMSSTATEMENT: Ich denke, das ist der Anderen, denen, die man selber hat
ein wesentlicher Faktor. Du gehst nicht in einen und denen, die man in nicht-missionarischer,
fremden Ort und machst dort etwas, sondern aber positiver Absicht hat, weil man glaubt,
du bist dort aufgewachsen und hast dann von dass es etwas Gutes ist und Bedürfnisse sich
außen etwas hineingebracht. Du lebst beides ändern können.
und hast einen Bezug dazu – auch zu den PUBLIKUMSSTATEMENT: Einerseits gibt
Künstlern, mit denen du zusammenarbeitest. es ein Bedürfnis nach Komplexität, Impulsen
Ich glaube, dass es gut funktioniert, mit diesen und Weiterentwicklung, was so ein bisschen
elementaren Verbindungen Menschen unter- der Auftrag der zeitgenössischen Künste war.
schiedlichster Herkunft, Bildung oder Geistes- Gleichzeitig ist unsere Welt wirklich extrem
haltung zusammenzubringen. komplex, laut und voll geworden. Wir erleben
gerade wieder so eine Biedermeier-Phase,
PUBLIKUMSFRAGE: Mich interessiert noch findet ihr nicht? Kochen, Stricken, ins Kleine
die Frage nach den Bedürfnissen. Wer hat zurück. Es geht Richtung Entschleunigung
eigentlich welches Bedürfnis? Ich komme aus und zu dem, was wir kennen oder was die Oma
einer Kleinstadt in Deutschland, wo man schon gemacht hat. Diese Gegensätze sind
wegfahren muss, um das eigene Bedürfnis nach ja inspirierend, aber wie schaffe ich den
einer anderen zeitgenössischen Kultur zu Brückenschlag? Das ist der Auftrag, den unsere
stillen. Ich fand die Idee spannend, irgendwo Generation haben könnte.
hinzugehen und eine Irritation zu initiieren,
oder ich suche mir Leute, die schon irgendwie
so denken und sage: „Lass uns doch mal
was probieren, um das Bedürfnis auszuweiten.“
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