Page 53 - P_ART_Katalog_2018
P. 53

Zentrale Statements
                 aus der Vorstellungsrunde




                 CHRISTINE STEGER               Regeln des Systems außer Acht. Daher
                 aus dem Blickwinkel Disability   sollte immer wieder darauf hingewiesen
                 Obwohl gesetzlich eine Gleichstellung   werden, dass es um Menschen geht und
                 von Menschen mit Behinderungen    es zynisch ist, über diese nur unter dem
                 formuliert ist, schlägt sich dies nicht in   Produktivitätsaspekt zu reden.
                 der Amts- oder Alltagsprache nieder.
                 Sprache vermittelt Menschen mit Behin-  aus dem Blickwinkel Alltagssprache
                                                HANS PETER GRASS
                 derung ein klares Drinnen und Draußen:
    ÖFFENTLICHE VERANSTALTUNGEN  ‚Patient*innen‘ statt Kund*innen. Damit   sehr groß geworden, weil sich viele
                                                In den letzten drei bis vier Jahren ist die
                 Es ist die Rede von ‚Sonderschule‘ statt
                 Schule, ‚Transport‘ statt Fahrt, ‚sonder-
                                                Nachfrage nach Argumentationstrainings
                 pädagogischem Förderbedarf‘ statt
                 Assistenz oder Unterstützung, an den
                                                sprachlos gegenüber Parolen fühlen, aber
                                                etwas sagen oder tun wollen. Die Be-
                 Rollstuhl ‚gefesselt sein‘ statt ihn benützen,
                                                troffenheit gab es zwar vorher auch schon,
                 wird der Behinderungshintergrund
                                                aber mittlerweile ist die Wahrnehmung
                                                und Sensibilität in Bezug auf Sprache
                 sprachlich zum dominanten Persönlich-
                                                gestiegen.
                 keitsmerkmal gemacht. Menschen mit
                 Behinderung ‚leiden‘ nicht unter der
                 Behinderung oder Erkrankung, sondern
                                                PERSSON PERRY BAUMGARTINGER
                 an den Barrieren innerhalb der Mehrheits-
                                                aus dem Blickwinkel Geschlechterviefalt
                 gesellschaft, denen sie täglich begegnen.
                                                Ich mache seit vielen Jahren Sprach-Work-
                                                shops. Früher war es verspielter und
                 FLORIAN PREISIG                kreativer. Heute werden fertige Sprach-
                 aus dem Blickwinkel Arbeitsmarkt  lösungen erwartet. Sprache ist aber kein
                 Diskriminierung tritt am Arbeitsmarkt    Regelwerk, sondern ein Medium, also
                 in vielfältiger Weise auf und betrifft    das, was wir tun, sprechen oder gebärden.
                 verschiedene Gruppen – etwa alte   Sehr oft werden bei dem Thema
                 Menschen, Migrant*innen oder Frauen.   Geschlechtervielfalt in der Sprache nur
                 Zunehmend wird Arbeitslosigkeit    Wörter und Grammatik thematisiert.
                 aber vor allem auf individuelle Defizite   Es sollte auch berücksichtigt werden, was
                 und die eigene Verantwortung zurück-  wir uns nicht unter Sprache vorstellen.
                 geführt. Das zeigt sich auch auf einer   Schweigen wird etwa oft nicht mitgedacht.
                 sprachlichen Ebene, indem arbeitslose   Durch ‚Sich Raushalten‘ bin ich Teil
                 Menschen durch Bilder wie ‚Sozial-  einer diskriminierenden Situation und
                 schmarotzer‘, ‚Durchschummler‘ oder   gebe ihr Macht.
                ‚Minderleister‘ als faul dargestellt werden.
                 Diese Zuschreibungen sind empirisch
    54           nicht haltbar und lassen strukturelle
   48   49   50   51   52   53   54   55   56   57   58