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Zentrale Statements
aus der Vorstellungsrunde
CHRISTINE STEGER Regeln des Systems außer Acht. Daher
aus dem Blickwinkel Disability sollte immer wieder darauf hingewiesen
Obwohl gesetzlich eine Gleichstellung werden, dass es um Menschen geht und
von Menschen mit Behinderungen es zynisch ist, über diese nur unter dem
formuliert ist, schlägt sich dies nicht in Produktivitätsaspekt zu reden.
der Amts- oder Alltagsprache nieder.
Sprache vermittelt Menschen mit Behin- aus dem Blickwinkel Alltagssprache
HANS PETER GRASS
derung ein klares Drinnen und Draußen:
ÖFFENTLICHE VERANSTALTUNGEN ‚Patient*innen‘ statt Kund*innen. Damit sehr groß geworden, weil sich viele
In den letzten drei bis vier Jahren ist die
Es ist die Rede von ‚Sonderschule‘ statt
Schule, ‚Transport‘ statt Fahrt, ‚sonder-
Nachfrage nach Argumentationstrainings
pädagogischem Förderbedarf‘ statt
Assistenz oder Unterstützung, an den
sprachlos gegenüber Parolen fühlen, aber
etwas sagen oder tun wollen. Die Be-
Rollstuhl ‚gefesselt sein‘ statt ihn benützen,
troffenheit gab es zwar vorher auch schon,
wird der Behinderungshintergrund
aber mittlerweile ist die Wahrnehmung
und Sensibilität in Bezug auf Sprache
sprachlich zum dominanten Persönlich-
gestiegen.
keitsmerkmal gemacht. Menschen mit
Behinderung ‚leiden‘ nicht unter der
Behinderung oder Erkrankung, sondern
PERSSON PERRY BAUMGARTINGER
an den Barrieren innerhalb der Mehrheits-
aus dem Blickwinkel Geschlechterviefalt
gesellschaft, denen sie täglich begegnen.
Ich mache seit vielen Jahren Sprach-Work-
shops. Früher war es verspielter und
FLORIAN PREISIG kreativer. Heute werden fertige Sprach-
aus dem Blickwinkel Arbeitsmarkt lösungen erwartet. Sprache ist aber kein
Diskriminierung tritt am Arbeitsmarkt Regelwerk, sondern ein Medium, also
in vielfältiger Weise auf und betrifft das, was wir tun, sprechen oder gebärden.
verschiedene Gruppen – etwa alte Sehr oft werden bei dem Thema
Menschen, Migrant*innen oder Frauen. Geschlechtervielfalt in der Sprache nur
Zunehmend wird Arbeitslosigkeit Wörter und Grammatik thematisiert.
aber vor allem auf individuelle Defizite Es sollte auch berücksichtigt werden, was
und die eigene Verantwortung zurück- wir uns nicht unter Sprache vorstellen.
geführt. Das zeigt sich auch auf einer Schweigen wird etwa oft nicht mitgedacht.
sprachlichen Ebene, indem arbeitslose Durch ‚Sich Raushalten‘ bin ich Teil
Menschen durch Bilder wie ‚Sozial- einer diskriminierenden Situation und
schmarotzer‘, ‚Durchschummler‘ oder gebe ihr Macht.
‚Minderleister‘ als faul dargestellt werden.
Diese Zuschreibungen sind empirisch
54 nicht haltbar und lassen strukturelle