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Auszüge aus dem Diskussionsverlauf
Moderation: Kathrin Quatember
KATHRIN: Heute war schon von den ‚Bubbles‘ Solidargemeinschaft bewusst zu machen,
die Rede, in denen bestimmte Narrative vorherr- was die Verantwortung für ein Miteinander
schen. Inwieweit kommt man eurer Meinung bedeutet.
nach da raus? HANS PETER: Ich finde das Dilemma
HANS PETER: Will man da und soll man da zwischen Emotionalität und Sachlichkeit auch
raus? Diese Blasen sind ja auch Schutzräume sehr spannend. Nach den Argumentations-
für bestimmte Menschen und daher notwendig. trainings frage ich nach, woran sich die Teil-
In dieser Bubble müssen nicht alle die gleiche nehmenden aus der Diskussion noch erinnern
Meinung haben, aber es ist ein Raum, wo ich können. Alle merken sich ausschließlich emo-
mich ausdrücken kann. Es ist auch ein Rück- tionale Geschichten und Handlungen. Die
zugsort. Problematisch wird es, wenn ich sie Informationen bleiben bei den Diskutierenden
nicht verlasse. nicht hängen, aber die Außenstehenden,
CHRISTINE: Wer sagt denn eigentlich, dass das Publikum, hat die Distanz, um Infos wahr-
es eine Bubble ist? Wer hat die Diskurshoheit? zunehmen. Deshalb sind öffentliche
Was ist die Norm? Ich möchte eigentlich die Diskussionen so wichtig.
Bubble vergrößern und mehr Menschen in meine PERSSON PERRY: Eine diskriminierende
Bubble bringen und nicht gelten lassen, Aussage bedeutet, sich selbst Macht zu geben.
wie das offizielle Österreich belächelnd mit Vielleicht will die verletzende Person ihr Verhal-
der Menschenrechtskonvention umgeht. ten gar nicht überdenken. Deshalb diskutiere
PERSSON PERRY: Gerade in Österreich gibt ich dann nicht mehr lang. P-ART IMPULS
es eine lange Kontinuität und Nicht-Aufarbeitung CHRISTINE: Hinter ‚schwul‘ oder ‚behindert‘
von Begriffen. Das sind oft Metaphern aus dem als Schimpfwörter steht immer die Absicht,
Nationalsozialismus oder sie wurden dort etwas negativ zu framen. Bezahlen für die Be-
aufgeladen. Mit dem Argument ‚Man darf ja leidigung tut immer die Empfängerin. Ich sage
nichts mehr sagen‘ darf man plötzlich dann: „Ich finde es nicht gut, wenn du das sagt.
wieder sehr viel sagen. Ich gehöre dieser Gruppe an und fühle mich
KATHRIN: Welche Gegenstrategien gibt es in meiner Identität verletzt.“ Wenn die Person
auf sprachlicher Ebene? dann sauer ist, weil sie an den Pranger gestellt
HANS PETER: In unseren Argumentations- wird, bin ich dafür nicht verantwortlich.
trainings spielt eine Hälfte mit Stammtischpa- HANS PETER: Meiner Erfahrung nach werden
rolen, die andere bleibt in ihrer eigenen Rolle. solche Schimpfwörter häufig von Personen
Stammtisch-Spieler*innen finden es immer verwendet, die sich selbst in einer fragilen Sit-
lustig und befreiend, sich nicht überlegen zu uation befinden, z.B. von Jugendlichen, und
müssen, ob das, was sie sagen, stimmt. Die es ist auch ein Ausdruck ihrer eigenen
anderen hingegen haben den Stress, alles rich- Unsicherheit. Deshalb würde ich bei ihnen
tig zu sagen und freundlich zu bleiben. Eine nicht so ansetzen.
Gegenstrategie besteht daher darin, Themen PERSSON PERRY: Aber die Gesellschaft
offensiv selbst vorzugeben statt defensiv zu stellt diese diskriminierenden Begriffe zur Ver -
reagieren. fügung. Bei sprachlichen, diskriminierenden
CHRISTINE: Auf sprachlicher Ebene ver- Handlungen geht es um Provokation und das
suche ich, nicht moralisch zu reagieren oder ist altersunabhängig. Es geht um die Funktion
zu belehren, weil ich damit kein Verstehen der Sprache.
erreiche. Über Geschichten versuche ich, einer
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