Page 422 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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        scheidet und zum Zweck der wissenschaftlichen Verständigung noth-
       wendig unterscheiden muss«, sind ja in Wahrheit »nicht real getrennte
        oder  auf  ein  einziges  gleichartiges Element zurückführbare That-
       sachen«, sondern »unauflöslich an einander gebundene Bestandtheile-
       unseres geistigen Lebens, so dass irgend ein psychischer Erfolg niemals
       aus einem der Theilinhalte allein, sondern immer nur aus ihrer aller
       Verbindung   abgeleitet werden kann«  i).  Die  isolirende Darstellung
       muss diesen Zusammenhang zunächst vernachlässigen;   sie kann aber
        »den Fehler einer Umwandlung   der Abstractionsproducte  in reale
       Vorgänge«   durch  eine  »nachfolgende Synthese«  vermeiden.  Diese
       Synthese werden wir im Folgenden jedoch zum großen Theil dem
       Leser überlassen.  Selbst jene Wechselwirkung zwischen den Einzelnen
       oder zwischen einem Einzelnen und der ihn umgebenden Gruppe, die
       bei jeder einzelnen der im Folgenden erörterten Ursachen zur G-eltung
       kommt,   werden wir nur theilweise  explicite darstellen,  in anderen
       Fällen denjenigen Theil der Vorgänge,  der  sich  in dem Einzelnen
       abspielt, isolirt zur Darstellung bringen. — Ein dritter Fehler der
       Darstellung besteht darin,  dass  sie  die Stärke und den Grad der
       Bewusstheit der Processe übertreiben muss.  Indem diese in die Sphäre
       der intellectuellen Betrachtung erhoben werden, erscheinen  sie uns
       gleichsam wie in einem Hohlspiegel, gesteigert und übertrieben. Es ist
       kaum ganz zu vermeiden, dass »die psychologische und die erkenntniss-
       theoretische Analyse der Thatsachen, die nachträglichen Reflexionen
       des wissenschaftlichen Beobachters und die psychischen Motive der
       Erscheinungen«  in  einander  fließen.  »Der Fehler ...  ist um so
       schwieriger zu überwinden,  weil die logischen Vorgänge, wenn auch
       nicht in der abstracten Form,  in der wir sie  .  .  . zu Grunde legen,
       doch immerhin   in einer  alle anderen psychischen Elemente durch-
       dringenden  concreten Bethätigung  wirklich zu den Grundbestand-
       theilen des seelischen Lebens gehören« 2),
          Wir wenden uns    jetzt unserem Problem selbst zu.  Die Gründe
       für die Erhaltung der festen Formen der Cultur können wir in zwei
       Gruppen   eintheilen,  je nachdem  sie vorwiegend  unmittelbar  der
       Natur des individuellen Bewusstseins und der Art der innerhalb der


           1) Wund t, Logik 2 H, 2, S. 63.
           2) Wundt, Logik 2 n, 2, S. 61.
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