Page 545 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Zur Theorie des Bewusstseinsumfanges und seiner Messung.
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    erkennen lassen.  Jede neue Einheit, welche der Potenz unserer den
    TJmfangswerth  in Einzelelementen ausdrückenden Constanten hinzu-
    gefügt werden   soll,  schränkt  zugleich den Umkreis  aller Erfolg
    versprechenden  Expositionsobjecte von neuem  ein und beruht nur
    auf der Ausnützung entsprechender TJebungsarbeit zur Herstellung
    leistungsfähiger  Simultan -Associationen.  Zudem  ist  natürlich  das
    Quadrat der Constanten nur die obere Grenze der Buchstabenzahl,
    die  ohne  besondere Vorbereitung  in  geläufigen Worten  aufgefasst
    werden könnte. Im allgemeinen wird die Zahl darunter bleiben, und
    es  ist  insbesondere bei  geläufigen Zusammenstellungen der Worte
    niemals mit Sicherheit zu sagen, ob wirklich eine Annäherung an die
    Grenze bei selbständiger Auffassung der einzelnen Wortformen oder
    nicht schon eine sehr beschränkte Ausnützung der Einübung geläufiger
    Einheiten vorliegt, die sich ihrerseits aus Wortformen zusammensetzen
    und bei der Gültigkeit unserer Constanten eigentlich bis zu deren dritter
    Potenz führen könnten, was die Buchstabenzahl anbelangt.
       Nach dem Bisherigen    ist wohl auch  so  viel gewiss,  dass  ins-
    besondere der einzelne Buchstabe selbst, wie schon Goldscheider
    angenommen hat, nur auf Grund von Erfahrungsassociationen als eine
    bestimmte Formvorstellung diejenige Geläufigkeit besitzt, die ihn trotz
    seiner Zusammengesetztheit  aus  einfacheren Elementen  sofort im
    Ganzen herausheben lässt,  sobald irgendwo die nämlichen Elemente
    in derselben Gruppirung vorkommen. Wenn wir also einen Complex
    von vier oder fünf sinnlosen Buchstaben vor uns sehen,  so vollzieht
    sich im Grunde  ein ganz analoger Vorgang,  als wenn wir eben so
    viele geläufige Worte  festhalten.  Auch hier  ist schliessUch die Er-
    innerung an  alle Einzelheiten der Buchstaben,  die wir thatsächlich,
    wenn auch wegen der Concurrenz mit entsprechender Unklarheit, ge-
    sehen haben, nur durch die Festhaltung der Buchstabenform mögHch,
    nachdem   diese bei der Wahrnehmung mit   vollster Klarheit  erfasst
    werden konnte,  weil  alle Einzelstriche und deren Anordnung durch
    oftmalige simultane Auffassung in voller Klarheit hinreichend associirt

    wurden.   Dabei müssen hier so  viele innere räumHche Beziehungen
    der Anordnung der Einzelstriche   zu  den Beachtung  verlangenden
    Elementen »des Buchstabens« gezählt werden, als zur Unterscheidung
                                     Somit können wir in der That die
    der Buchstaben nothwendig sind.
    Auffassung einer Vierzahl von sinnlos gruppirten Buchstaben schon als
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