Page 549 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Zur Theorie des Bewusstseinsumfanges und seiner Messung.
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auch wiederum mehr, als zur bloßen Feststellung eines bestimmten
Umfanges maximaler Klarheit unbedingt nothwendig wäre. Sie erhält
die am meisten beachteten Vorstellungen auch in ihrer qualitativen
Eigenart bis zu späteren Zeitpunkten, in denen der untersuchte That-
bestand längst abgeschlossen ist, während man doch nur die eine
Thatsache verwerthet, dass überhaupt so und so viele hinsichthch
ihres Anspruches an die Aufmerksamkeit vergleichbare EinzeHnhalte
in irgend einem Grade beachtet waren. Gibt es irgend ein Mittel,
welches nur dies Letztere erfahren Heße, so wird man gern auf eine
detaillirte und selbständige Wiedergabe der einzelnen Figuren ver-
zichten und dafür lieber das Andere eintauschen, dass man auch über
das Dasein von möglichst vielen weniger beachteten Inhalten eine
exactere Auskunft zu geben vermag. Da dies aber von einer directen
unmittelbaren Wiedergabe ihrem Wesen nach nicht zu erwarten steht,
so kann man sich höchstens nach einer sonstigen Wirkung des Ge-
sammterlebnisses umsehen, welche ohne Eeproduction des ganzen
Thatbestandes in späterer Zeit die von uns gewünschten Einzelheiten
mit möglichster Sicherheit erschheßen lässt, d. h. man ist auf indirecte
Methoden angewiesen. Offenbar wird eine solche Fragestellung,
welche von dem speciellen Klarheitsgrad der Bewusstseinserlebnisse
abstrahirt, zugleich nicht mehr bloß den Umfang maximaler Klarheit,
also den sog. Aufmerksamkeitsumfang nach Wundt, sondern wirk-
lich so weit als möglich den Umfang des Bewusstseins in
dem früher näher bezeichneten Sinne ins Auge fassen. Der Versuch
einer Beantwortung muss also vor allem von solchen Wirkungen zu
profitiren streben, welche jedem Bewusstseinsinhalt als solchem ohne
Rückschluss auf den speciellen Grad seiner Beachtung zukommen.
Offenbar fällt diese Bestrebung mit der Frage nach einer allge-
meinsten Methode der Bewusstseins-Phänomenologie zusammen,
welche zunächst einmal die überhaupt jemals vorkommenden Bewusst-
seinsqualitäten zu registriren sucht, also ohne die specielle Absicht, alle
gleichzeitigen Inhalte um ihrer Bewusstseinsgrade oder »psychischen
Quantitäten« willen ohne Rücksicht auf die Quahtät zu inventarisiren.
Wegen der unvergleichlichen EinheitUchkeit des ganzes Bestandes in
jedem Momente und wegen der oft hierin liegenden Schwierigkeit für die
Feststellung einzelner Elemente und Merkmale als bewusster Momente
genügt das Dasein des bewussten Inhaltes in beliebiger Configuration