Page 547 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Zur Theorie des Bewusstseinsumfanges und seiner Messung.
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     Zahl schließlich durch die Uebung sich ergehen kann.
     mehr die simultane Vorstellung des Ganzen schon durch die
     innere inhaltliche Verwandtschaft der einzelnen Elemente
     besonders erleichtert und positiv gefördert, wie es von Th. Lipps
     als Leistung der sog. Aehnlichkeits-Association     in größerem
     Umfange   innerhalb  des  ganzen  psychischen Lebens nachgewiesen
     wui-de.  Die einheitliche Form des Kreises u. s. w., wie sie als Haupt-
     einheit des Klarheitsumfanges gezählt werden kann, wird also schon
     bei der ersten Exposition im Ganzen ohne besondere ZerspHtterung
     der Aufmerksamkeit auf   einzelne Elemente  zu  einer entsprechend
     hohen Klarheit herausgehoben, so dass hier die Uebung viel weniger
     hinzuzufügen  braucht.  Auch Goldscheider    hat  ja  bereits  diese
     gegenseitige Unterstützung der einzelnen Elemente auf Grund auf-
     fälliger Formen u. s. w. bei der Eeproduction besonders hervorgehoben,
     wie  sie  in  symmetrischer Anordnung  u.  s. w. besteht.  Anderseits
     wird ein möglichster Wechsel der Zusammenstellung solcher Einzel-
     elemente eine Ausbildung der Geläufigkeit höherer Formen ausschalten.
     Mit verschiedenen Figuren, wie  sie später gebraucht werden,  ist ja
     bereits eine unerschöpfliche VariationsmögHchkeit in Combinationen zu
     5 gegeben,  so dass  die Ausbildung leistungsfähiger Simultan-Asso-
     ciationen unmöglich  ist.

        12) Die geringe Variation der gefundenen Constanten.
     Dass natürlich schließlich die Umfangsconstante überall nur im Zu-
     sammenhange mit einer entsprechenden mittleren Variation zu nehmen
     ist, mit welcher  alle derartigen allgemeinen psychologischen Werte
     allein erreichbar sind, ist selbstverständlich.  Dabei wird aber gerade
     aus  der Deutung,  welche  der Constanten  als Repräsentation der
     maximalen Klarheit gegeben  ist, eine relative Kleinheit der Variation
     zu erwarten sein,  so dass der thatsächlich gefundene kleine Betrag
     eine  weitere Bestätigung  unserer Auffassung  gibt.  Der Gesammt-
     umfang wird ja, wie schon in den einleitenden Betrachtungen hervor-
     gehoben wurde, niemals als ganz constant zu setzen sein, oder wird
     zum mindesten, auch wenn wir von den periodischen Schwankimgen

     absehen,  nicht immer in derselben Größe der Region höherer Klar-
     heit zur Verfügung stehen, wie es  z. B. in Fällen geringerer Concen-
                         Es leuchtet aber ganz von selbst ein, dass für
     tration der Fall ist.
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