Page 1043 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Siebenunddreißigstes Kapitel
Inhaltsverzeichnis
Ob vor einer Schlacht kleine Gefechte nötig sind, und wie man das
Heer mit einem neuen Feinde bekannt machen soll, wenn man sie
vermeiden will.
Wie ich schon anderwärts sagte, ist es scheinbar der Lauf der Welt, daß
bei jedem Guten ein Übel liegt und so leicht mit ihm zusammen entsteht,
daß es fast unmöglich ist, das eine zu vermeiden, wenn man das andre
will. Das sieht man bei allem, was Menschen tun. Darum wird das Gute
nur schwer erreicht, wenn uns das Glück nicht derart unterstützt, daß es
diese gewöhnlichen und natürlichen Übel durch seine Macht überwindet.
Hierauf wurde ich von neuem gebracht durch den Zweikampf des Titus
Manlius mit dem Gallier, von dem Livius VII, 11. sagt: Tanti ea
dimicatio ad universi belli eventum momenti fuit, ut Gallorum
exercitus, relictis trepide castris, in Tiburtem agrum, mox
in Campaniam transierit. (So entscheidend war dieser Kampf für den
Ausgang des ganzen Krieges, daß das gallische Heer sein Lager
schleunigst verließ und in das Gebiet von Tibur, von da nach Campanien
abzog.)
Einerseits erwäge ich, daß ein guter Feldherr durchaus alles
vermeiden muß, was, so unbedeutend es an sich sei, seinem Heer einen
schlimmen Eindruck machen kann. Denn sich in einen Kampf
einzulassen, ohne seine ganze Kraft einzusetzen, und doch alles aufs
Spiel zu setzen, ist etwas höchst Tollkühnes, wie ich schon oben sagte,
als ich das Besetzen der Pässe tadelte. S. Buch I, Kap. 23. Andrerseits
erwäge ich, daß kluge Feldherren, wenn sie einem neuen Feinde
gegenübertreten, der einen gewissen Ruf hat, ihre Soldaten, bevor sie
eine Schlacht wagen, durch kleine Scharmützel an den Feind gewöhnen
müssen, damit sie ihn kennen und mit ihm umgehen lernen und dadurch
den Schrecken verlieren, den sein Ruf ihnen eingeflößt hat. Das ist für
den Feldherrn sehr wichtig, ja er wird fast notwendig dazu veranlaßt, da
er anscheinend in sein offenes Verderben rennt, wenn er seine Soldaten
nicht vorher durch kleine Gefechte von dieser Furcht vor dem Feinde
befreit hat.
Valerius Corvinus wurde mit einem Heere gegen die Samniter
geschickt, einen neuen Feind, mit dem die Römer bisher noch nie
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