Page 1046 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Achtunddreißigstes Kapitel



                                                  Inhaltsverzeichnis






                 Wie ein Feldherr sein muß, wenn sein Heer Vertrauen auf ihn setzen
                                                          soll.


                Wie oben gesagt, S. voriges Kapitel. stand Valerius Corvinus mit seinem
                Heer den Samnitern, den neuen Feinden Roms gegenüber. Um seine
                Soldaten zuversichtlich und mit dem Feinde bekannt zu machen, ließ er
                sie einige leichte Gefechte liefern. Nicht zufrieden damit, hielt er ihnen

                vor der Schlacht eine Ansprache und bewies ihnen mit den triftigsten
                Gründen, wie wenig sie sich aus diesen Feinden zu machen brauchten,
                wobei er die Tapferkeit seiner Soldaten und auch die eigne betonte. Aus
                den Worten, die Livius VII, 32, vor der Schlacht am Berge Gaurus (343
                v. Chr.). ihm hier in den Mund legt, läßt sich erkennen, wie ein Feldherr

                sein muß, auf den das Heer sich verlassen soll. Tum etiam intueri,
                cuius ductu auspicioque ineunda pugna sit: utrum qui
                audiendus dumtaxat magnificus adhortator sit, verbis tantum
                ferox, operum militarium expers; an qui et ipse tela
                tractare, procedere ante signa, versari media in mole pugnae
                sciat. Facta mea, non dicta vos milites sequi volo, nec
                disciplinam modo, sed exemplum etiam a me petere, qui hac
                dextra mihi tres consulatus summamque laudem peperi. (Denn ihr
                müßt auch darauf sehen, unter wessen Führung und Leitung ihr in den
                Kampf zieht: ob der, den ihr anhört, bloß ein prächtiger Redner ist, in
                Worten tapfer, aber unerfahren in Kriegstaten, oder ob er selbst mit dem
                Speer umzugehen, sich an die Spitze zu stellen und sich mitten ins
                Getümmel zu werfen versteht. Meinen Taten, Soldaten, nicht meinen

                Worten sollt ihr folgen; nicht nur Kriegslehren, sondern auch ein Beispiel
                sollt ihr von mir fordern, der sich mit dieser Rechten drei Konsulate und
                den höchsten Ruhm erworben hat.) Genau erwogen, lehren diese Worte
                jeden, wie er verfahren muß, um ein Feldherr zu werden. Wer anders
                handelt, oder wer durch Ehrgeiz oder Glück zum Feldherrn wurde, wird

                bald merken, daß er keinen Ruf gewinnt, sondern ihn verliert. Denn nicht
                der Titel macht den Mann, sondern der Mann den Titel. Vgl. Plutarch,
                Moralia, Praecepta gerendae rei publicae, XV.
                     Der Anfang dieses Kapitels führt auch noch auf eine andre
                Betrachtung. Wenn nämlich große Feldherren außerordentliche Mittel






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