Page 417 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Scipio. Wenn du etwa dir bewußt bist, einmal auf Jemand böse gewesen
zu seyn. Lälius. Ich war es wahrlich öfter, als ich wünschte. Scipio. Nun,
sprich: wenn du erzürnt bist, gestattest du dem Zorn die Herrschaft über
dein Gemüth? Lälius. Nein, wahrhaftig nicht: 158 vielmehr mache ich's
wie der berühmte Archytas von Tarent. Als dieser einmal auf sein
Landgut kam, und Alles anders antraf, als er es befohlen hatte, sagte er
zu seinem Gutsverwalter. Unglückseliger! Ich hätte dich gleich zu Tode
peitschen lassen, wenn ich nicht im Zorn wäre. 159 Schön, sagte Scipio.
Archytas hielt also den Jähzorn, eben weil er sich mit vernünftiger
Besonnenheit nicht verträgt, für eine Art von Empörung der Seele, die er
durch Besinnung gedämpft wissen wollte. Dazu nimm noch Habsucht,
Herrschsucht, Ruhmgier, wilde Begierden; und du begreifst, daß, wenn
in der menschlichen Seele eine königliche Regierung statt findet, der
Oberherr ein Einziger seyn werde, nämlich die Besonnenheit: denn diese
ist der beste Theil der Seele: daß aber, wenn die Besonnenheit herrscht,
die wilden Begierden, der Zorn und die Unbesonnenheit nicht
aufkommen können. Lälius. Ganz richtig. Scipio. Du erklärst also, daß
eine so gestimmte Seele in der rechten Stimmung sey. Lälius. So sehr, als
ich nur von irgend Etwas überzeugt bin. Scipio. Du würdest es demnach
doch wahrlich nicht billigen, wenn die Begierden, deren Zahl unendlich
ist, und die Ausbrüche des Jähzorns die Besonnenheit vom Throne
stießen, und sich darauf setzten. Lälius. Ich kann mir nichts Unseligeres
denken, als ein solches Gemüth, und einen Menschen von solcher
Gemüthsart. Scipio. Unter königlicher Gewalt sollen also nach deiner
Ansicht alle Theile der Seele seyn, und ihr König die Besonnenheit?
Lälius. Ja, so halte ich es für recht. Scipio. Und du besinnst dich noch,
dich in Beziehung auf Staatsverfassung zu entscheiden? Es ist doch wohl
vollkommen begreiflich, daß, wenn die oberste Gewalt Mehrern
übertragen ist, im Grunde kein Oberbefehl statt findet; denn dieser ist
ohne Einheit schlechterdings unmöglich. 160
39. Aber, fiel Lälius ein, ich möchte doch wissen, ob es nicht einerlei
ist, ob Einer oder Mehrere an der Spitze stehen, wenn nur bei diesen
Mehrern sich Gerechtigkeit findet. Scipio. Nun, weil ich denn bemerkt
habe, Lälius, daß meine Zeugen nicht sonderlich viel Ueberzeugendes
für dich haben, so gedenke ich nicht abzulassen, immer dich selbst als
Zeugen zum Beweise für meine Behauptungen zu gebrauchen. Mich?
erwiederte Jener, wie so? Scipio. Weil ich dabei gewesen bin, neulich, als
wir auf dem Formianischen Gute waren, 161 wie du deinen dortigen
Sclaven recht ernstlich einschärftest, sie sollen ja Einem auf's Wort
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