Page 418 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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folgen. Lälius. Freilich, dem Gutsverwalter. Scipio. Und wie hältst du es
                denn zu Hause? stehen da deine Geschäfte unter der Leitung Mehrerer?
                Nichts weniger, sagte er, Einer leitet sie. Scipio. Und das ganze

                Hauswesen? hat da noch ein Anderer, ausser dir, zu befehlen? Lälius. Im
                geringsten nicht. Scipio. Und du willst nicht zugestehen, daß auch in den
                Staaten die Regierung Eines, wenn er nur gerecht ist, die beste sey?
                Lälius. Nun, ich gebe ja nach, und bin so ziemlich deiner Ansicht.
                     40. Scipio. Du wirst meine Ansicht noch mehr theilen, Lälius, wenn
                ich mit Beseitigung aller Gleichnisse, (nämlich, daß es besser sey, ein

                Schiff Einem Steuermanne, einen Kranken Einem Arzte,                 162  natürlich
                wenn sie ihr Fach tüchtig verstehen, anzuvertrauen, als Vielen,) zu
                wichtigern Gründen übergehe. Lälius. Was sind das für Gründe? Scipio.
                Nun, du weißt doch wohl, daß blos durch den unerträglichen und

                übermüthigen Charakter des Einen Tarquinius der Name König bei
                unserm Volke verhaßt worden ist? Lälius. Freilich weiß ich es. Scipio.
                Nun so weißt du wohl auch Das, wovon ich im weitern Verlauf meines
                Vortrags noch mehr zu sprechen gedenke, daß das Volk nach Verbannung
                des Tarquinius im Trotz der noch ungewohnten Freiheit sich ganz

                seltsamer Zügellosigkeit hingegeben hat;          163  wie damals Unschuldige
                verbannt, Vieler Eigenthum geplündert wurde; wie man jährliche
                Consuln einsetzte, die Fasces [Lictorenstäbe] vor dem Volke senkte,                164

                wie man bei Allem, was vorkam, an das Volk appellirte, wie die Plebejer
                in Masse auszogen, überhaupt die ganze Staatsverwaltung sich so
                gestaltete, daß das Volk als der Souverain erschien. Lälius. Ja, es verhält
                sich so, wie du sagst. Scipio. Das geht nun wohl so im Frieden, und
                wenn Ruhe herrscht. So lange man Nichts zu fürchten hat, mag man
                immerhin muthwillig seyn, wie man auf einem Schiffe thut, oder in einer
                unbedeutenden Krankheit. Aber wie der Schiffende, wenn sich plötzlich
                das Meer aufzubäumen [zu kräuseln] beginnt, und der Unpäßliche, wenn

                sich die Krankheit verschlimmert, Einen zu Hülfe ruft: so ist auch unser
                Volk im Frieden und in der Heimath Oberherr, bedroht sogar die
                Beamten, sträubt sich, appellirt, provocirt; im Kriege jedoch ist es (dem

                Befehlshaber) so gehorsam, wie einem Könige:              165  denn dann gilt
                Rettung mehr als Eigenwille. In besonders bedeutenden Kriegen hat aber
                unser Volk den ganzen Oberbefehl immer Einem, ohne einen
                Theilnehmer an der Macht, übertragen, dessen Name schon den Umfang
                seiner Vollmacht andeutet. Dictator nämlich heißt er zwar, weil er
                ernannt [ausgesprochen] wird [ dicitur]. Aber in unsern [Auguren]








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