Page 422 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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erholt sich der Staat zu neuem Leben; stürzen ihn freche Abenteurer,
                dann bilden diese zusammen eine Faction, [und man hat] nur eine andere
                Art von Tyrannen. und eine ganz gleiche entsteht auch oft aus jener an

                sich trefflichen Staatsverwaltung durch Optimaten, wenn die
                Staatsoberhäupter selbst durch eine sittliche Verschlechterung von der
                [rechten] Bahn abkommen. So fangen den Staat und die Verfassung die
                Tyrannen wie einen Spielball aus der Hand der Könige auf; von Jenen
                wieder entweder die Aristokraten oder die Demokraten; und von Diesen
                dann entweder Faktionen oder [wiederum] Tyrannen, und nie erhält sich

                dieselbe Form der Staatsverfassung in die Länge gleich.             180
                     45. Unter diesen Umständen bleibt von den drei erstgenannten

                Formen die königliche, meiner Ansicht nach, immer noch die beste;                  181
                besser aber noch, als selbst die königliche, wird diejenige seyn, die aus
                jenen drei herausgehobenen Staatvserfassungsformen gemischt und im
                Gleichgewicht erhalten wird. Mein Grundsatz ist nämlich: es soll im
                Staate ein oberstes und königliches Princip seyn; ein Theil der
                Staatsgewalt sey den Vornehmen zugetheilt und überlassen. Einiges aber
                sey der [freien] Beurtheilung und dem Willen des Volkes vorbehalten.

                Eine solche Verfassung hat erstlich den Vorzug einer sehr gleichförmigen
                Vertheilung der Rechte, welche freien Menschen nicht wohl zu lange
                vorenthalten werden darf; dann den der Festigkeit; denn [wie gesagt]
                jene drei ersten Formen arten leicht in die ihnen gegenüberstehenden
                Mißformen aus, so daß aus einem König ein Despot wird, aus Optimaten
                eine Faktion, aus der Demokratie Verwirrung und Regellosigkeit; und

                diese Verfassungen wechseln selbst oft mit einander ab; solche
                Uebelstände aber treten in einer so verbundenen und in gehörigem
                Gleichgewichte gemischten Staatsverfassung nicht ohne große Fehler
                und Mißgriffe der Staatsoberhäupter ein. Denn wo Jeder an seinem
                Posten einen festen Standpunkt hat, und unter und neben ihm kein Raum
                ist, in den er hinabstürzen oder wo er fallen kann, so ist auch keine

                Ursache zur Umwälzung vorhanden.             182
                     46. Allein ich fürchte, mein Lälius, und ihr meine wohlwollenden
                und einsichtsvollen Freunde, es möchte mein Vortrag, wenn ich über
                diesen Gegenstand mich noch länger verbreite, sich zum Tone eines

                Lehrenden vor Schülern hinneigen, anstatt daß ich die Sache gemeinsam
                mit euch besprechen wollte. Ich gehe darum auf Das aus, was Allen
                bekannt, von mir aber schon lange durchforscht ist. Das nämlich ist mein
                Grundsatz, meine innigste Ueberzeugung und mein unerschütterlicher
                Glaube, daß unter allen Verfassungen in Rücksicht auf ihre Grundlage,






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