Page 425 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Einführung der Provocation an das Volk (C. 31.). Die Consulargewalt.
                Die erste Dictatur (C. 32.). Die Plebejer dehnen ihre Rechte aus (C. 33.).
                Volkstribunen. Würdevolles Benehmen der Patricier (C. 34.), Versuch

                des Spurius Cassius, sich die Königswürde anzumaßen (C. 35.). Die
                Decemvirn zur Abfassung von Gesetzen. Ihre Ausartung und ihr Fall
                (C. 36. 37.). – Tubero wünscht, es möchte Scipio von dem Speciellen
                (der Römischen Geschichte) mehr in's Allgemeine gehen (C. 38.).
                Scipio's Antwort darauf (C. 39.). – Anfang der Schilderung eines guten
                Staatsmannes (C. 40.). Unterbrechung durch eine Lücke, Uebergang zu
                der Untersuchung, ob in Anlegung und Verwaltung des Staats die

                Gerechtigkeit das oberste Princip seyn könne (C. 41–43.).


                                                   Zweites Buch.


                1. Als nun Scipio Alle begierig sah, ihn zu hören, begann er seinen
                Vortrag mit folgenden Worten. Es ist eine Behauptung des alten Cato –
                ihr wißt, wie ich ihn vor Allen geliebt, und wie sehr ich ihn bewundert
                habe, wie ich mich auf den Rath meines Vaters und meines
                Adoptivvaters, so wie aus eigenem innerm Triebe, von Jugend auf so

                ganz an ihn angeschlossen habe, und ihn nie genug hören konnte:                 185
                denn der Mann hatte eine außerordentliche Erfahrung in
                Staatsgeschäften, da er zu Hause und im Felde dem Vaterlande treulich
                und eine lange Reihe von Jahren gedient hatte, er besaß in seinem
                Vortrage die schönste Mäßigung und eine mit Würde gepaarte Anmuth,

                einen eben so großen Eifer sich zu unterrichten, als [Andere] zu
                belehren,   186  und führte ein Leben, das mit Dem, was er sprach, in der

                besten Uebereinstimmung stand           187  – dieser Mann pflegte zu sagen,       188
                darin liege der Grund des Vorzuges unserer Verfassung vor der der
                übrigen Staaten, daß, während in diesen immer nur Einzelne lebten, die,
                Jeder in seinem Vaterlande, die Verfassung des Staates durch ihre
                Gesetze und Einrichtungen begründet hätten; zum Beispiel bei den
                Kretern Minos, bei den Spartanern Lykurgus, bei den Athenern, deren

                Verfassung mehrmals eine Veränderung erlitten, erst Theseus, dann
                Drako, dann Solon, dann Klisthenes,          189  und noch mehrere Andere, bis
                endlich dem schon ganz kraftlosen und tief gesunkenen Staate der

                Phalereer Demetrius, ein wissenschaftlich gebildeter Mann, noch einmal
                aufhalf; dagegen in unserm Staate nicht das Talent eines Einzelnen,
                sondern Vieler, die Verfassung begründete; und nicht nur im
                Lebensraume Eines Menschen, sondern in einer Reihe von
                Jahrhunderten und Menschenaltern. Denn, sagte er, nie und nirgends gab




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