Page 412 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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[oder der Senat] die ganze Macht in Händen gehabt hätten, der Staat nie
                auf festen Füßen gestanden. Noch weit weniger sey Dieß aber in
                Monarchieen der Fall, »wo ein Herrscher mit Königsgewalt keinen

                Nebenbuhler duldet, kein Theilnehmer an der Oberherrschaft vor dem
                andern sicher ist    140 «, wie Ennius sagt. Darum, weil das Gesetz das Band
                ist, das die bürgerliche Gesellschaft zusammenhält, das Recht aber, das
                Jeder durch das Gesetz hat, Allen gleich gilt, wie kann die bürgerliche
                Gesellschaft durch das Recht zusammengehalten werden, wenn die

                Bürger nicht Alle gleiche Befugniß haben? Denn mag man auch keine
                Vermögensgleichheit einführen wollen, mögen die Talente unmöglich bei
                Allen gleich seyn können; so müssen doch wenigstens die gegenseitigen
                Rechte Derjenigen gleich seyn, die Bürger in einem und demselben
                Staate sind? Denn was ist ein Staat, als ein Verein [zum Genusse]

                gleicher Rechte * * *      141


                                             [Lücke von zwei Seiten.]


                33. Ja [die Bürger eines solchen freien Staates] behaupten, die übrigen
                Staaten verdienen nicht einmal die Namen, mit welchen sie benannt seyn
                wollen. Denn warum soll ich mit dem Namen König, der Benennung des

                allgütigen Jupiter,    142  einen Menschen benennen, der nach despotischer
                Alleinherrschaft trachtet, das unterdrückte Volk wie Sclaven beherrscht,
                und ihn nicht vielmehr einen Tyrannen heißen? Denn eben so gut kann
                ein Tyrann mit Milde, als ein König mit Härte regieren. so daß es in
                diesem Falle [unter einer Monarchie] für das Volk zwar einen

                Unterschied macht, ob es einen freundlichen, oder einen rauhen Gebieter
                hat; aber es doch offenbar sich in keinem andern, als einem
                Sclavenzustande befindet. Wie konnte es aber Lacedämon zu der Zeit,
                als die Ordnung im Staate für ausgezeichnet musterhaft galt, möglich
                machen, gute und gerechte Könige zu haben, da man eben Jeden zum

                Könige haben mußte, der von königlichen Stamme war?                  143  Wer nun
                könnte vollends eine Aristokratie erträglich finden, deren Glieder nicht
                durch Zugeständniß des Volkes, sondern durch eigene Wahl aus ihrer
                Mitte sich zu Optimaten gestempelt hätten? Denn wie kommt denn so
                Einer zu der Benennung eines Besten [Optimaten]? Etwa durch

                Gelehrsamkeit, Kunsterfahrung, eifrige Thätigkeit * * *              144


                                              [Lücke von vier Seiten.]








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