Page 443 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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höchste [vollziehende] Gewalt hatte. Dieselbe Einrichtung nahmen denn
                auch die Unsrigen an, und übersetzten sogar den Amtstitel, indem sie
                Die, die Jener den Rath der Alten [γέροντας, γερουσίαν] hieß, Senat [von

                senes] nannten, wie es auch (wie gesagt) Romulus bei der Auswahl der
                Väter machte. Immer überwiegt und überragt jedoch des Königes
                Gewalt, Macht und Name [Rang]. Lasse man auch immerhin daneben
                das Volk noch etwas gelten, wie Lykurgus und Romulus wirklich thaten;
                durch eine solche Freiheit wird es sich nicht befriedigt finden, sondern
                da man sie ihm nur ein wenig zu kosten gegeben hat, so wird es darnach

                nur noch mehr dürsten.       290  Auf jeden Fall wird die Besorgniß nie
                verschwinden, es möchte (ein Fall, der gemeiniglich eintritt) einmal ein
                ungerechter König [auf den Thron] kommen. Darum steht denn das
                Glück eines Volkes auf schwachen Füßen, das, wie vorhin gesagt, von

                dem [guten] Willen oder dem Charakter eines Einzelnen abhängt.
                     29. Und hier zeigt sich denn das erste Hervortreten, die erste
                Erscheinung und der Ursprung der Tyrannei, in demjenigen Staate, den
                Romulus nach Auspicien gegründet, nicht in einem solchen, den, wie
                Plato berichtet, Sokrates in jener Peripatetischen         291  Unterhaltung im

                Ideal entworfen hat. So möge denn, wie Tarquinius, ohne eine neue
                Gewalt bekommen zu haben, sondern nur durch Mißbrauch derjenigen,
                die er besaß, den Umsturz der ganzen [bisherigen] Verfassung
                herbeigeführt hat, Diesem ein Anderer gegenübergestellt seyn, ein
                gutgesinnter, weiser, den Vortheil und die Würde der Staatsbürger
                verstehender Mann, gleichsam der Pfleger und Vorsorger des Staats,

                denn so soll Der heißen, der (Wer es immer sey) der Leiter und Lenker
                des Bürgervereins ist. Diesen Mann laßt euch schildern; denn er ist es,
                der durch Rath und That den Staat schützen kann. Weil aber dieser Name
                bisher in unserer Unterhaltung noch nicht eigentlich vorgekommen ist
                [nämlich der Name Consul], und wir im Verfolg unseres Vortrages einen
                Mann dieser Art [Staatsbeamten] öfters werden berühren müssen, * * *
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                                             [Lücke von zwölf Seiten.]


                30. * * * [Plato] hielt für nöthig, [daß der gesammte Boden des Staats

                unter die Bürger zu gleichen Theilen vertheilt sey; und nahm einen Staat,
                wie man ihn mehr wünschen, als hoffen darf, von ganz kleinem
                Umfange an,      293  und so brachte er einen heraus, nicht, wie er in der

                Wirklichkeit möglich ist, sondern einen, an dem man die möglichen
                bürgerlichen und politischen Verhältnisse studiren könnte. Ich aber, wenn




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