Page 438 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
P. 438

auf dem Capitolium einen Tempel zu errichten gelobt haben,                255  und

                nach einer Regierung von acht und dreißig Jahren gestorben seyn.
                     21. Nun, sagte Lälius, leuchtet mir erst die Behauptung des Cato ein,
                eine Staatsverfassung sey weder das Werk Eines Zeitpunkts noch Eines
                Menschen.     256  Denn es liegt am Tage, wie durch jeden einzelnen König
                unser Staat an Vorzügen und zweckmäßigen Einrichtungen gewonnen

                hat. Wir kommen aber jetzt auf Den, der meines Erachtens in Hinsicht
                auf Staatseinrichtung den schärfsten Blick hatte.          257  Allerdings,
                erwiederte Scipio. Nach Jenem nämlich, meldet die Geschichte, regierte,

                zuerst ohne durch einen Volksbeschluß die Befugnisse erhalten zu haben,
                Servius Tullius,    258  der Sohn, wie es heißt, einer Sclavin aus Tarquinii
                und eines Clienten des Königs. Er wurde unter den Sclaven erzogen und
                mußte bei der Tafel des Königs aufwarten; allein der Funke des Talents,

                der schon damals aus dem Knaben hervorleuchtete, blieb nicht
                unbemerkt, da er in allen Verrichtungen und Aeußerungen große
                Gewandtheit verrieth.      259  Und so gewann denn Tarquinius, dessen

                eigene Kinder damals noch ganz klein waren,             260  den Servius so lieb,
                daß man denselben allgemein für seinen Sohn hielt, und bildete ihn mit
                der größten Sorgfalt in allen den Kenntnissen aus, die er selbst gelernt
                hatte, wie nur immer ein junger Grieche eine ausgezeichnete Bildung

                erhalten konnte.    261  Als aber Tarquinius durch die Nachstellungen der
                Söhne des Ancus das Leben verloren, und Servius, wie gesagt, ohne
                [förmlichen] Beschluß, wiewohl mit Willen und Zustimmung der Bürger
                den Thron bestiegen hatte, (er war nämlich, als man fälschlich vorgab,
                Tarquinius sey nur an einer Verwundung krank gelegen, und lebe noch,

                mit den Zeichen der Königswürde bekleidet, zu Gericht gesessen, hatte
                Verschuldete durch Geld aus seinen Mitteln losgekauft, sich sehr
                freundlich [gegen die Bürger] bewiesen, und ihnen den Glauben
                beigebracht, er halte auf Befehl des Tarquinius Gericht;) da hielt er sich
                von den Vätern [dem Senat] unabhängig: das Volk aber ließ er, nachdem
                Tarquinius begraben war, abstimmen; und nachdem ihn dasselbe zum
                König gemacht, brachte er auch den [gewöhnlichen] Gesetzesvorschlag

                wegen seines Oberbefehls in der nach Curien stimmenden
                Volksversammlung zur Vollziehung. Die erste Handlung seiner
                Regierung war, daß er durch einen Krieg die [den Römern] von den
                Etruskern zugefügten Beleidigungen rächte. Als er dabei eine

                bedeutende * * *      262


                                             [Lücke von zwei Seiten.]




                                                          437
   433   434   435   436   437   438   439   440   441   442   443