Page 435 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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vierzig Jahre nach dem Tode des Numa Italien betreten hat; und hierüber
hat unter Denjenigen, welche die Jahrzeitbücher gründlich studirt haben,
durchaus nie ein Zweifel obgewaltet. Unsterbliche Götter, fiel Manilius
ein, was ist das für ein großer, und dennoch so allgemeiner und
eingewurzelter Irrthum! Doch ist es mir ganz recht, daß wir demnach
unsere Bildung nicht einer fremden und über die See her zu uns
eingeführten Wissenschaft, sondern angestammter und einheimischer
Kraft zu verdanken haben.
16 Und Das wird dir erst noch viel klarer vor die Seele treten,
erwiederte Scipio, wenn du siehst, wie unser Staat immer fortgeschritten,
und nach einem naturgemäßen Gange und Zuge zu der besten Verfassung
gelangt ist; ja wenn du gerade darin wieder einen preiswürdigen Zug von
der Weisheit unserer Vorfahren erblickst, daß sie zwar Manches auch aus
fremdem Boden auf unsern heimischen verpflanzten, daß es aber bei uns
viel besser geworden, als es dort war, wo es zuerst aufgekommen und
woher es zu uns herüber gebracht worden: 239 und du wirst dich
überzeugen, daß das Römische Volk nicht durch Zufall, sondern durch
planmäßige Bildung so stark geworden sey, wobei ihm übrigens das
Glück wenigstens nicht abhold gewesen ist.
17. Nach dem Tode des Pompilius, wählte das Volk in einer nach
Curien abstimmenden Wahlversammlung, auf den Antrag des
Zwischenkönigs, den Tullus Hostilius, 240 und auch Dieser ließ sich,
nach dem Beispiele des Pompilius, von den Curien des Volkes noch
besonders den Oberbefehl übertragen. Er war ein Mann von
ausgezeichnetem Kriegsruhm, und verrichtete große Heldenthaten. Er
war es auch, der von dem Ertrage der Beute das Comitium [den
Wahlversammlungsplatz] umzäunte und die Curie [das
Senatsversammlungshaus]erbaue; er bestimmte auch die
Rechtsgrundsätze für die Kriegsankündigungen, und diese an sich schon
höchst gerechte Einrichtung heiligte er durch die religiöse Anordnung
der Fetialen, 241 so daß jeder Krieg, der nicht erst angekündigt und
angesagt worden, für ungerecht und frevelhaft erklärt wurde. Und damit
ihr erkennet, wie weislich auch Das schon unsere Könige erwogen
haben, daß man auch dem Volke gewisse Rechte einräumen müsse,
(denn ich habe über diesen Gegenstand noch Manches zu sagen:) [so
überseht nicht], daß sich Tullus nicht einmal herausnahm, sich der
äußerlichen Zeichen der königlichen Würde zu bedienen, ohne vom
Volke besonders dazu ermächtigt zu seyn. Denn die Befugniß, zwölf
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