Page 434 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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an Kriegen entflammten Gemüther durch Einführung religiöser Formen
zu mildern; und indem er die Flamines [Einzelpriester gewisser Götter
235 ] die Salier 236 und die Vestalischen Jungfrauen stiftete, gab er somit
allen Theilen der Religion eine unverbrüchlich heilige Begründung. Bei
allem Dem sollte nach seinem Plane die Religionsübung eine mühsame
Genauigkeit, die Anstalten dafür aber nur einen ganz kleinen Aufwand
erfordern: denn zu lernen und zu beobachten gab es dabei sehr Vieles,
aber das Alles ohne Kosten. Und so gelang es ihm, dem Volke bei
Ausübung seines Götterdienstes viel zu thun zu geben, und dennoch alle
verschwenderische Pracht zu beseitigen; und in demselben Geiste führte
er auch Marktverkehr, Spiele und mancherlei Veranlassungen und
Feierlichkeiten ein, die die Menschen mit einander in Berührung
bringen. Durch alle diese Veranstaltungen machte er die durch
Kriegeslust schon ganz verwilderten und roh gewordenen Menschen
wieder menschlich und mild. Und nachdem er so neun und dreißig Jahre
lang in vollkommenem Frieden und in Eintracht regiert hatte, (ich halte
mich nämlich am liebsten an meinen Polybius, dem es an gründlicher
Untersuchung der Zeitangaben Keiner zuvorgethan hat,) schied er aus
dem Leben, nachdem er zwei die Dauer und Festigkeit des Staates
trefflich begründende Dinge, Religion und Menschlichkeit, [dem neuen
Volke] eingeflößt hatte.
15. Bei diesem Ruhepunkte fiel Manilius dem Scipio in die Rede,
und sagte zu ihm: Ist aber wohl Etwas an der Sage, Africanus, daß jener
König Numa entweder wirklich ein Schüler des Pythagoras, oder doch
wenigstens ein Pythagoreer gewesen sey? Denn oft haben wir Das von
ältern Personen gehört, und wissen auch, daß es allgemein geglaubt wird,
ohne daß sich doch dafür hinlängliche Beweise in den öffentlichen
Jahrbüchern vorfänden 237 Natürlich, erwiederte Scipio, denn das ganze
Vorgeben, mein Manilius, beruht auf Erdichtung, und zwar auf einer
ungereimten und abgeschmackten. Das ist gerade an einer Lüge das
unausstehlichste, wenn wir nicht nur einsehen, daß das Erzählte nicht
geschehen ist, sondern daß es unmöglich hat geschehen können. 238 Es
ergibt nämlich die Berechnung der Zeiten, daß Pythagoras erst im vierten
Regierungsjahre des L. Tarquinius (des Uebermüthigen) nach Sybaris,
nach Kroton und in jene Gegenden von Italien gekommen ist. Denn
gerade in die zwei und sechzigste Olympiade fallen die beiden
Thatsachen: der Anfang der Regierung des Tarquinius Superbus und die
Ankunft des Pythagoras. Berechnet man nun die Regierungsjahre der
Könige; so kommt heraus, daß Pythagoras ungefähr erst hundert und
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