Page 433 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
P. 433

König zu fordern:      227  bei welcher Gelegenheit jene Staatshäupter ein

                ganz neues und bei andern Völkern unerhörtes Auskunftsmittel, nämlich
                die Ernennung von Zwischenkönigen,             228  ausdachten, so daß, bis Einer
                zum bestimmten König erklärt wäre, weder der Staat ohne König, noch
                lange unter Einem [Zwischen-] König war, und dadurch zu verhüten
                wußten, daß Einer, an die Obergewalt zu sehr gewöhnt, zu ungeneigt

                würde, die Regentenstelle niederzulegen, oder mächtig genug, sie mit
                Gewalt zu behaupten. Und wirklich erkannte das um jene Zeit noch ganz
                neue Volk, [eine Wahrheit,] die dem Spartanischen Gesetzgeber
                Lykurgus entging, der die Ansicht hatte, man müsse einen König nicht
                wählen (wenn es anders dem Lykurgus frei stand, hierüber zu

                entscheiden), sondern annehmen, wie er auch seyn möge, wenn er nur
                aus des Herkules Stamme entsprossen sey: unsere einfachen Landleute,
                sage ich, erkannten wirklich schon damals, daß königliche Thatkraft und
                Weisheit, nicht königliche Abstammung, die Hauptsache sey, auf die
                man sehen müsse.       229

                     13. Da nun nach der allgemeinen Stimme Numa Pompilius diese
                Eigenschaften besaß, so nahm das Volk auf den Vorschlag der Väter,                 230
                ohne Berücksichtigung seiner Mitbürger, einen König aus einem

                fremden Volke, einen Sabiner, und berief ihn von Cures her auf den
                Römischen Thron.       231  Sobald er hierher kam, ließ er, obgleich das Volk
                in einer nach Curien abstimmenden Wahlversammlung ihn zum Könige
                ernannt hatte, doch noch erst wegen seines Oberbefehls auch in einer
                Curienversammlung ein förmliches Gesetz aussprechen: und wie er sah,

                daß die Römer durch das von Romulus eingeführte Staatsleben eine gar
                große Vorliebe für den Krieg gewonnen hatten, so glaubte er sie von
                dieser Neigung ein wenig entwöhnen zu müssen.
                     14. Er fing damit an, daß er die von Romulus eroberten Ländereien

                unter seine Mitbürger Mann für Mann austheilte,             232  und sie die
                Möglichkeit lehrte, ohne Plünderung und Beute durch Anbau des Bodens
                sich reichlichen Unterhalt zu verschaffen, wodurch er ihnen Lust an
                Waffenruhe und am Frieden beibrachte, die vorzüglich dazu geeignet
                sind, Gerechtigkeit und Achtung der Verträge zu begründen, und unter
                deren Obhut der Ackerbau und das Einernten seines Ertrages vorzüglich

                gesichert ist. Auch brachte Pompilius die größern Auspicien auf,               233
                verstärkte die frühere Zahl der Auguren um zwei, und setzte über die
                Verwaltung des Götterdienstes aus der Mitte der Vornehmen fünf

                Hauptpriester;    234  dabei wußte er durch den Vorschlag jener Gesetze, die
                wir noch in den [alten] Denkmälern haben, die von Gewohnheit und Lust




                                                          432
   428   429   430   431   432   433   434   435   436   437   438