Page 628 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Betreffenden: da er allen Obliegenheiten des Lebens nicht mehr
                gewachsen sei, da er den Andern nur zur Last falle, sich selbst
                unerträglich sei und seinen eigenen Tod überlebe, so möge er sich

                entschließen, der verpestenden Krankheit und Seuche nicht länger ein
                nährender Herd zu sein, und, da ihm das Leben doch nur eine einzige
                Qual sei, nicht zaudern, getrost zu sterben, sondern vielmehr, froher
                Hoffnung voll, sich entweder selbst einem so bitterschmerzlichen Leben
                wie einem Kerker oder einer Folter entziehen, oder willig gestatten, daß
                ihn Andere davon befreien. Daran werde er weise handeln, da er ja durch
                seinen Tod um keine Wonnen des Lebens komme, sondern nur seinem

                Jammer entgehe; und wenn er so den Rath der Priester und der Ausleger
                des Willens Gottes befolge, so begehe er ein frommes, Gott
                wohlgefälliges Werk.
                     Diejenigen, die sich solchergestalt haben überreden lassen, enden ihr
                Leben entweder freiwillig durch Nahrungsenthaltung oder erhalten ein
                Schlafmittel und finden im bewußtlosen Zustande ihre Erlösung.

                     Gegen seinen Willen wird keinem das Leben entzogen, aber man
                erweist ihm darum um nichts weniger Liebesdienste; nur wird
                Denjenigen, die in der so erlangten Ueberzeugung sterben, dieses als
                besonders ehrenvoll angerechnet.
                     Wenn sich dagegen Einer aus einem von den Priestern und vom
                Senate nicht gebilligten Gründe das Leben nimmt, so wird er weder eines
                Begräbnisses, noch der Feuerbestattung gewürdigt, sondern sein

                Leichnam wird irgendwo in einen Sumpf geworfen und schimpflich
                unbegraben gelassen.
                     Das Weib heirathet nicht vor dem achtzehnten Jahre; der Mann nicht,
                bevor er noch vier Jahre älter geworden. Wird ein Weib vor ihrer
                Verheirathung verbotenen Umgangs überführt, So wird das sowohl an
                ihr, als am Manne schwer geahndet. Beiden Theilen wird die Ehe

                verboten, wofern nicht die Verzeihung des Fürsten das Vergehen sühnt:
                aber auch der Familienvater oder die Mutter, in deren Hause dieses
                begangen worden, unterliegen der Entehrung, weil sie die ihrem Schutze
                Befohlenen schlecht behütet haben.
                     Die Utopier bestrafen dieses Vergehen deswegen so streng, weil sie
                voraussehen, daß es sonst kommen werde, daß nur Wenige in ehelicher
                Liebe sich vereinigen würden, worin ein Jeder ein ganzes Leben mit

                einer Person verbleiben und obendrein alle Unannehmlichkeiten
                geduldig ertragen muß, die der Ehestand mit sich bringt, wenn die Leute
                sich dem zügellosen Konkubinate hingeben dürften.







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