Page 631 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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eiligst zu beseitigen. Denn Sie nützen durch ihre Arbeit durch mehr, als
durch ihren Tod, und das beständig vor Augen schwebende Beispiel
schreckt die Andern von einem ähnlichen Verbrechen wirksamer ab.
Wenn sie aber in dieser Lage sich widerspenstig zeigen und sich
empören, werden sie zuletzt wie ungezähmte wilde Bestien, die weder
Kerker noch Ketten im Zaume halten kann, todtgeschlagen Den geduldig
ihr Loos tragenden wird nicht ganz und gar jede Hoffnung genommen,
denn, wenn sie, nachdem sie durch eine lange Reihe erlittener Uebel
mürbe geworden sind, derartige Reue bezeugen, daß sie dadurch zu
erkennen geben, es sei dies mehr ihres Vergehens an sich als der Strafe
wegen der Fall, so wird ihre Sklaverei manchmal, sei's durch das
Vorrecht des Fürsten, sei's durch Volksbeschluß milder gestaltet oder
ganz aufgehoben.
Der Versuch einer unzüchtigen Handlung bringt nicht weniger
Gefahr mit sich, als die vollzogene Unzucht. Bei jeder Uebelthat, stellen
sie nämlich den vorsätzlichen Versuch der vollbrachten That gleich,
denn, daß es nicht gelungen ist, den Versuch zur That zu machen, dürfe
dem, meinen sie, nicht zu Gunsten angerechnet werden, an dem es nicht
gelegen hat, daß ihm seine Absicht auszuführen nicht gelungen ist.
Possenreisser und Narren gewähren ihnen viel Ergötzung und
Vergnügen. Wie es Einem aber zur großen Unehre gereicht, Solche zu
beleidigen, so ist es andererseits nicht verboten, an der Thorheit sich zu
ergötzen. Dies kommt den Narren selbst am meisten zu gute, denken die
Utopier, denn wenn Jemand so ernst und trübsinnig geartet ist, daß er
weder über ihre Reden noch Handlungen zu lachen vermag, so werden
die Narren seinem Schutze nicht anvertraut, da man befürchtet, sie
würden von Solchen nicht gut behandelt, denen sie weder Nutzen noch
Ergötzung gewähren können, welche letztere doch die einzige ihnen
verliehene Begabung ist.
Einen Häßlichen oder Krüppel zu verspotten, gilt nicht für den
Verspotteten, sondern für den Verspotter als schimpflich, der da
dasjenige, was Jemand nicht in seiner Macht hat, zu vermeiden, diesem
thörichterweise als einen Mangel vorwirft.
Wie sie es für das Gebahren eines lässigen und trägen Menschen
halten, die natürliche Schönheit nicht zu pflegen, so gilt es ihnen als eine
ehrlose Unverschämtheit, Zuflucht zu der Schminke zu nehmen. Aus
Erfahrung wissen die Utopier nämlich, daß keine Reize der Schönheit
die Frauen ihren Gattin so empfehlen, wie Ehrenwerthheit der Sitten und
ehrehrbietiges Benehmen. Denn sowie gar mancher Mann durch die
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