Page 641 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Geschlechtsabstammung vergessend, der Freundschaft, die sie früher
                umschlungen, uneingedenk, einander durchbohren, aus keinem anderen
                Grunde zu gegenseitiger Vernichtung angetrieben, als weil sie von

                verschiedenen Fürsten um eine elende Handvoll leidigen Geldes
                gemiethet worden sind, welches sie so außerordentlich werthschätzen,
                daß ein As mehr, zu dem täglichen Solde zugelegt, sie mit größter
                Leichtigkeit dazu treibt, die Partei zu wechseln.
                     So schnell ist es gegangen, daß die Habsucht sich ihrer bemächtigt
                hat, von der sie doch ganz und gar keinen Vortheil haben. Denn was sie
                mit ihrem Blute erwerben, das vergeuden sie sofort wieder in

                Schwelgerei und zwar in solcher elendester Art.
                     Dieses Volk leistet den Utopiern Kriegsdienste gegen alle Volker,
                gegen die sie Krieg führen, weil seine Hilfe von diesen um einen so
                hohen Preis gemiethet wird, wie das Niemand sonst thut.
                     Und wie die Utopier gute Menschen aufsuchen, deren
                Dienstleistungen sie gebrauchen, so bedienen sie sich auch dieser

                werthlosen Menschen, die sie mißbrauchen, die sich unter dem Antriebe
                hoher Versprechungen den größten Gefahren entgegenwerfen, daher der
                größte Theil derselben meistens nie zurückkehrt, um in Empfang zu
                nehmen, was ihnen versprochen worden; den Ueberlebenden aber
                bezahlen sie aufs Gewissenhafteste aus, was sie zu fordern haben, damit
                die Zapoleten auch in Zukunft zu ähnlichen tollen Wagnissen angefeuert
                werden.

                     Denn darum kümmern sie sich wenig, wie Viele sie von solchen
                Bundesgenossen verlieren; sind sie doch der Meinung, sich den größten
                Dank her Menschheit zu verdienen, wenn sie von dem gesammten
                Abschaum dieses trotzigen und ruchlosen Volkes den Erdkreis reinigen
                könnten.
                     Nach diesen verwenden sie auch die Truppen Derjenigen, zu deren

                Schule sie zu den Waffen greifen, sodann auch die Hilfstruppen ihrer
                sonstigen Freundnachbarn. Endlich bilden sie ein Korps ihrer eigenen
                Mitbürger, aus deren Reihen sie einen Mann von erprobter Tugend an die
                Spitze des gesammten Heeres stellen. Diesem werden zwei andere
                Befehlshaber in der Art unterstellt, daß sie, so lange der Oberfeldherr am
                Leben und gesund bleibt, nur als Privatpersonen gelten, wenn Jener aber
                gefangen oder getödtet wird, folgt einer von den beiden in gleichsam

                erblicher Weise in seiner Stelle nach. Wird auch dem Zweiten dasselbe
                Geschick zu Teil, so kommt ein Dritter daran, damit nicht, da die
                Wechselfälle des Krieges gar mannichfache sind, die Gefahren, die dem
                Hauptanführer drohen, auch das ganze Heer in Gefahr bringen.





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