Page 637 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Völker gesellten, daß einige der blühendsten Nationen bis ins Mark
                erschüttert, andere schwer mitgenommen wurden, immer neue Leiden
                und Uebel ans den alten entstanden, bis das Ende war, daß die Alao

                politen sich unterwarfen und in die Sklaverei der Nephelogeten geriethen
                (denn die Utopier führten den Krieg nicht im eigenen Interesse), deren
                Verhältnisse doch mit dem blühenden Zustande der Alaopoliten nicht zu
                vergleichen gewesen waren.
                     So energisch verfolgen die Utopier ein ihren Freunden, wenn auch
                nur in Geldangelegenheiten, angethanes Unrecht; nicht so streng
                verfahren sie im Falle eigenen erlittenen Unrechts; indem, wenn sie

                überlistet und in Folge dessen an Gütern geschädigt werden, nur aber
                keine körperliche Gewaltthat erleiden, sie sich nur bis zu dem Grade und
                nicht weiter erzürnen, daß sie jeden Verkehr mit diesem Volke so lange
                abbrechen, bis ihnen Genügthuug gegeben wird. Nicht, daß ihnen was
                Wohl ihrer eigenen Bürger weniger am Herzen läge, als das ihrer
                Bundesgenossen, aber die pekuniären Verluste dieser sind ihnen viel

                unliebsamer zu ertragen, weil diese persönlich schweren Schaden an
                ihrem Privatvermögen erleiden, wenn sie von Verlusten betroffen
                werden.
                     Ihre eigenen Bürger verlieren kein persönliches Eigenthum, sondern
                nur staatliches Gemeingut, vielmehr nur das, was daheim zur Genüge
                vorhanden, sozusagen überflüssig ist, weil es im andern Falle gar nicht
                zur Ausfuhr gelangen wurde. Und so kommt es, daß eigentlich Keiner so

                recht das Gefühl eines Schadens hat.
                     Darum halten sie es auch für allzu grausam, daß ein derartiger
                Schaden durch den Tod Vieler gerächt werden soll, ein Schaden, dessen
                Uebelstand kein Einziger, weder am Leben, noch am Lebensunterhalt, zu
                fühlen bekommt.
                     Wenn übrigens einer ihrer Staatsangehörigen irgendwo im Auslande

                am Leibe geschädigt oder getödtet wird, sei's nun durch öffentlichen
                Beschluß oder in Folge eines Privatvorsatzes, so lassen sie den
                Sachverhalt durch eigene Abgesandte genau untersuchen und sich nicht
                besänftigen, wofern ihnen die Schuldigen nicht ausgeliefert werden,
                sondern erklären dann ohne weiters den Krieg. Die Ausgelieferten, die
                die Missethat verübt haben, werden entweder mit dem Tode oder mit
                Sklaverei bestraft.

                     Ein blutiger Sieg widert sie nicht bloß an, sie schämen sich desselben
                sogar, indem sie es für eine große Thorheit halten, eine Waare, und sei
                sie auch noch so kostbar, zu theuer gekauft zu haben. Den Gegner aber
                durch Kriegskunst oder List zu besiegen, und unter ihre Botmäßigkeit zu





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