Page 642 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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In jeder Stadt wird eine Aushebung aus der Schaar Derjenigen
vorgenommen, die sich freiwillig stellen, denn zum Kriege nach
auswärts wird Keiner wider seinen Willen zum Militär genommen, weil
sie sehr wohl wissen, daß ein Furchtsamer nicht nur selbst nichts
Tüchtiges leistet, sondern auch Furcht in die Reihen seiner Kameraden
trägt und unter ihnen fortpflanzt.
Wenn übrigens der Krieg seitens des Feindes ins Vaterland getragen
wird, so werden solche Feiglinge, wenn sie anderes körperlich
leistungsfähig sind, entweder auf die Schiffe unter kriegstüchtigeres
Material gesteckt, oder sie werden innerhalb der Festungsmauern in
kleinen Abtheilungen vertheilt, wo sich ihnen keine Gelegenheit bietet,
auszureißen.
So drängen die Scham vor den Ihrigen, der Feind vor den Thoren und
die ihnen gänzlich benommene Hoffnung auf Flucht die Furcht in den
Hintergrund und gar oft wird aus der äußersten Noth eine Tugend
gemacht.
Wenn sie aber Keinen der Ihrigen wider seinen Willen in einen
auswärtigen Krieg hineinzwingen, so werden andererseits die Ehefrauen,
die ihre Männer ins Feld begleiten wollen, daran so wenig verhindert,
daß man sie vielmehr durch Ermahnungen und ihnen gespendetes Lob
dazu aneifert; Frauen, die mit ihren Männern in die Schlacht gezogen
sind, werden in der Schlachtordnung neben diese gestellt, auch die
Kinder, Verschwägerten und Verwandten stehen mit ihnen zusammen,
damit Diejenigen sich gegenseitig die erste Hilfe leisten, die von Natur
den stärksten Antrieb haben, einander helfend beizustehen.
Zur größten Schmach gereicht es dem Gatten, wenn er ohne die
Gattin heimkehrt, sowie dem Sohne, der den Vater in der Schlacht
verliert und selbst zurückkehrt, daher, wenn die Feinde Stand halten, und
es zum Handgemenge kommt, die Schlacht sich lange hinzieht und einen
traurigen Ausgang nimmt, indem bis zur Vernichtung fortgekämpft wird.
Denn wie sie auf alle Weise trachten, nicht selbst in den Kampf
eingreifen zu müssen, und den Krieg nur durch die stellvertretende Hand
der Miethstruppen geführt wissen wollen, so gehen sie, wenn ihre
persönliche Betheiligung an der Schlacht einmal unvermeidlich
geworden, ebenso unerschrocken ins Zeug, wie sie, so lange es ihnen frei
stand, den Kampf klüglich vermieden haben; und zwar entwickeln sie
beim ersten Anprall keineswegs ein heftiges Ungestüm; ihre Tapferkeit
steigert sich vielmehr allmählich, je länger der Kampf dauert, und ihr
Muth wird so erhöht, daß sie leichter niedergemetzelt, als zum Weichen
gebracht würden können.
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