Page 638 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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bringen, dessen rühmen sie sich mit Frohlocken, veranstalten auch
                öffentliche Triumphzüge darob und richten Trophäen auf, weil sie sich
                mannhaft gehalten haben; sie rühmen sich aber nur dann, sich wahrhafte

                Männer bewährt und tugendhaft gehandelt zu haben, so oft sie den Sieg
                in einer Weise errungen haben, wie nur der Mensch, und kein Thier, es
                im Stande ist, nämlich durch die Kräfte des Geistes.
                     Denn mit bloß körperlicher Kraft, sagen sie, kämpfen Bären, Löwen,
                Eber, Wölfe Hunde und die übrigen wilden Thiere, die wie sie uns
                meistentheils an Stärke und Wildheit überlegen sind, so an Verstand und
                Ueberlegung insgesammt uns nachstehen.

                     Bei einem Kriege haben die Utopier immer diesen einen Zweck vor
                Augen, das zu erlangen, was, wenn sie es früher erreicht hätten, die
                Wirkung gehabt hätte, daß sie den Krieg nicht erklärt hätten. Ist dies der
                Natur der Sache nach unmöglich, so nehmen sie an denen, welchen sie
                das Vergehen schuld geben, eine so strenge Rache, daß sie durch ihnen
                eingeflößte Furcht in alle Zukunft abgeschreckt werden, dasselbe je

                wieder zu begehen.
                     Das sind die Ziele, die ihnen bei einem Kriegsvorhaben
                vorschweben, die sie rasch zu erreichen streben, doch so, daß ihre
                Sorgfalt zuvörderst mehr daraus gerichtet ist, die Gefahren einer
                Kriegführung zu vermeiden, als Ruhm und Lobeserhebungen
                einzuheimsen.
                     Sofort, nachdem daher der Krieg erklärt ist, sorgen sie dafür, daß

                heimlich und zu gleicher Zeit eine große Anzahl mit ihrem Staatssiegel
                versehener Proklamationen an den bekanntestes Orten feindlichen
                Landes angeheftet werden, worin ungeheure Summen als Belohnung für
                Denjenigen ausgesetzt werden, der den Fürsten des feindlichen Volkes
                aus dem Leben schafft, dann geringere, obwohl immer noch sehr
                bedeutende, für die einzelnen hervorragenden Häupter beim Feinde, die

                in jenen Schriftstücken desgleichen geächtet sind, d. i. Diejenigen, die
                sie neben dem Fürsten selbst für die Urheber der gegen sie gerichteten
                feindlichen Beschlüsse halten.
                     Was sie für den Mörder ausgeworfen haben, das verdoppeln sie für
                Denjenigen, der einen der Geächteten ihnen lebendig ausliefert; wozu sie
                auch die Geächteten gegen ihre eigenen Genossen unter Gewährung
                derselben Prämie und zugesicherter Straflosigkeit auffordern.

                     So kommt es gar schnell zu Stande, daß die Feinde alle Menschen in
                Verdacht haben und sich gegenseitig nicht mehr trauen können und in
                höchster Furcht und nicht minderer Gefahr leben.







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