Page 644 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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den unbezweifelten und zweifellosen Sieg Jenen aus den Händen
                wanden und aus Besiegten zu Siegern wurden.
                     Es ist nicht leicht zu sagen, ob sie schlauer darin sind, Hinterhalte zu

                stellen, oder gewitzter, solchen zu entgehen. Du würdest glauben, daß sie
                sich zur Flucht anschicken, während sie das gerade Gegentheil im Sinne
                haben, und wenn sie zu fliehen vorhaben, so würdest du dir das vorher
                nicht vorzustellen im Stande sein.
                     Denn sobald sie merken, daß sie in numerischer Beziehung die
                Schwächeren sind oder den Nachtheil der Stellung haben, so brechen sie
                entweder zur Nachtzeit das Lager ab und setzen ihre Kolonnen

                geräuschlos in Bewegung, oder sie täuschen durch irgend eine andere
                Kriegslist den Feind, ziehen sich auch wohl am hellen Tage ganz
                allmählich zurück, jedoch in so guter Ordnung, daß es nicht minder
                gefährlich ist, sie anzugreifen, als wenn sie selbst zum Angriffe
                heranstürmen.
                     Ihr Lager befestigen sie auf das sorgfältigste mit einem ziemlich

                tiefen und breiten Graben, die aufgeschaufelte Erde wird nach innen
                geworfen; zu dieser Arbeit bedienen sie sich aber keiner Taglöhner,
                sondern sie wird durchweg von ihren Soldaten verrichtet, und das ganze
                Heer ist dabei thätig, mit Ausnahme derjenigen, die vor der Umwallung
                in Wehr und Waffen lagern, um gegen plötzliche Ueberfälle auf
                Vorposten zu stehen.
                     Und da so viele Hände helfen und zusammenarbeiten, so wird ein

                großer Lagerraum mit Befestigungen umspannt, und das geht schneller
                von statten, als man es für möglich halten sollte.
                     Sie führen derbe Schutzwaffen, die gleichwohl in jeder Art leicht zu
                handhaben und zu tragen sind, so daß sie nicht einmal beim Schwimmen
                störend belästigen. Denn unter den Anfangsgründen der militärischen
                Erziehung sind sie auch an das Schwimmen in Waffen gewöhnt worden.

                     Als Geschosse in die Ferne führen sie Pfeile, welche sie mit großer
                Kraft und ausgezeichneter Treffsicherheit abschießen, und zwar nicht nur
                das Fußvolk, sondern auch die Reiterei; im Nahekampfe verwenden sie
                nicht nur Schwerter, sondern auch Aexte, die durch ihre
                scharfgeschliffene Schneide sowohl als durch ihr Gewicht tödtliche
                Wunden beibringen, sei's durch Hieb oder Stich.
                     Im Ersinnen von Kriegsmaschinen bekunden sie einen ganz

                bedeutenden Scharfsinn; sie halten jedoch die fertiggestellten so lange
                geheim, bis Gebrauch von ihnen gemacht wird, weil sie besorgen, das
                vorzeitige Verrathen derselben nütze zu sonst nichts, als die Instrumente
                dem Gespött preiszugeben.





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