Page 649 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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der Erregung von Aufruhr im Volke schuldig, an, verurtheilten und
bestraften ihn sodann mit Verbannung. Denn es ist eine ihrer ältesten
gesetzlichen Einrichtungen, daß seine Religion Keinem zum Nachtheile
gereichen dürfe.
Denn Utopus hatte von Anfang an vernommen, daß die Ureinwohner
schon vor seiner Ankunft beständig Religionsstreitigkeiten unter
einander geführt hatten, und da er bemerkt hatte, daß dies zu einer
allgemeinen Spaltung Veranlassung gab, indem sie sich nur als einzelne
Sekten an der Vertheidigung ihres Vaterlandes betheiligen, und daß ihm
dadurch die Gelegenheit sehr erleichtert worden war, sie alle der Reihe
nach zu besiegen, so setzte er, nachdem dies erreicht war, vor allen
Dingen fest, daß Jeder einer beliebigen Religion solle anhängen dürfen,
daß es ihm aber auch freigestellt sei, Andere für seinen Glauben zu
werden, doch nur mit dem Beding, daß er andere Religionen nicht rauh
und bitter angreife, wenn es ihm nicht gelingt, durch Zureden etwas
auszurichten, und daß er keine Gewaltmittel anwende und alle
Schmähungen unterdrücke. Einer, der in diesem Punkte allzu unleidlich
vorgeht wird mit Verbannung oder Sklaverei bestraft.
Dieses Gesetz hat Utopus nicht nur der Erhaltung des Friedens
wegen gegeben, den er unter persönlichem Streit und unversöhnlichem
Haß von Grund aus zerstört werden sah, sondern, weil er auch der
Meinung war, daß eine solche Entscheidung im Interesse der Religion
selbst gelegen sei, über welche er sich keine vermessenen Aufstellungen
erlauben wollte, als ob er nicht wisse, ob nicht Gott selbst
verschiedenartige und vielfache Cultusformen wünsche, und dem Einen
diese, dem Andern jene Religion eingebe.
Aber mit Gewalt und Drohungen erzwingen, daß das, was du für
wahr hältst, auch alle Andern wahr bedünken solle, das hielt er für
unverschämt und abgeschmackt. Wenn nun höchstens eine Religion die
wahre ist, und die andern nichtig und eitel sind, so hat er doch unschwer
vorausgesehen (wenn die Sache nur mit Vernunft und Mäßigung
behandelt wird), daß die innere Kraft der Wahrheit sich glänzend Bahn
brechen werde.
Wenn aber mit den Waffen in der Hand und im Aufruhr gestritten
wird, so würde, da die schlechtesten Menschen die hartnäckigsten sind,
die beste und heiligste Religion, wie die Saat unter Dörnern und
Sträuchern, unter einem Wust abergläubischer Wahnvorstellungen
erstickt werden.
So hat er diese ganze Frage offen gelassen und einem Jeden es völlig
freigestellt, was er glauben wolle und was nicht. Nur das Eine hat er
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