Page 704 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Wohles, wohl aber Gesetze und Einrichtungen zum Besten der Freiheit
                hervorriefen.
                     Man könnte zwar einwenden, das sei eine ungewöhnliche, fast wilde

                Art, wie das ganze Volk gegen den Senat und der Senat gegen das Volk
                schrie, wie es durch die Straßen tobte, die Kaufläden geschlossen
                wurden, das ganze Volk aus Rom auszog, Auf den Heiligen Berg, 494 v.
                Chr. lauter Dinge, die beim Lesen freilich erschrecklich klingen. Aber
                jeder Staat muß seine Mittel und Wege haben, dem Ehrgeiz des Volkes
                Luft zu machen, besonders die Staaten, die sich bei wichtigen Dingen
                des Volkes bedienen wollen. So war es in Rom Sitte, daß das Volk, wenn

                es ein Gesetz durchsetzen wollte, entweder eins von den genannten
                Dingen tat oder den Kriegsdienst verweigerte, so daß man es durch
                Zugeständnisse beschwichtigen mußte. Auch sind die Forderungen freier
                Völker selten der Freiheit schädlich, denn sie entstehen entweder aus der
                Unterdrückung selbst oder aus der Furcht, unterdrückt zu werden. Und
                ist diese Furcht falsch, so gibt es ein Mittel dagegen in den

                Volksversammlungen, wo ein wohlgesinnter Mann aufsteht und dem
                Volk in einer Rede seinen Irrtum zeigt. Die Völker sind zwar unwissend,
                wie Cicero sagt, aber für die Wahrheit empfänglich und geben leicht
                nach, wenn ein vertrauenswürdiger Mann ihnen die Wahrheit sagt. Man
                sollte also mit dem Tadel der römischen Regierungsform sparsamer sein
                und bedenken, daß die vielen guten Wirkungen, die von diesem Staat
                ausgingen, nur aus guten Ursachen entspringen konnten. Waren jene

                Kämpfe die Ursache zur Einsetzung der Volkstribunen, so verdienen sie
                höchstes Lob. Das Volk erhielt dadurch nicht nur seinen Anteil an der
                Regierung, sondern die Tribunen waren auch zu Hütern der römischen
                Freiheit eingesetzt, wie im nächsten Kapitel gezeigt werden soll.

































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