Page 820 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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innerer Feind etwas gegen ihre Freiheit zu unternehmen wagt. Daß hier
noch ein guter Teil jener alten Redlichkeit herrscht, dafür will ich ein
Beispiel geben, das mit dem von dem römischen Senat und dem Volke
viel Ähnlichkeit hat. Brauchen diese Städte nämlich Geld zu öffentlichen
Zwecken, so erhebt die Behörde oder der Rat, die dazu befugt sind, von
allen Einwohnern der Stadt ein oder zwei Prozent von ihrem Vermögen.
Ist nun dieser Beschluß verfassungsmäßig genehmigt, so erscheint ein
jeder vor den Steuereinnehmern, leistet einen Eid, die gebührende
Summe zu zahlen, und wirft so viel in einen dazu bestimmten Kasten, als
er nach seinem Gewissen schuldig zu sein glaubt, ohne ein andres
Zeugnis als sein eignes. Hieraus kann man schließen, wieviel Redlichkeit
und Frömmigkeit noch bei diesem Volke herrscht. Denn man muß
annehmen, daß jeder die richtige Summe zahlt; sonst würde ja die Steuer
nicht die Summe erreichen, die sie nach den früheren Einnahmen haben
müßte. Der Betrug müßte sich also herausstellen, und man hätte dann
längst ein andres Verfahren eingeführt. Diese Redlichkeit ist in unsrer
Zeit um so mehr zu bewundern, je seltner sie ist; ja sie scheint allein
noch in Deutschland zu bestehen. Das hat seine doppelte Ursache.
Erstens haben die Deutschen nie großen Handel mit ihren Nachbarn
getrieben; diese sind weder zu ihnen gekommen, noch haben sie selbst
sie besucht, da sie sich mit dem Ihrigen begnügten, ihre eignen Speisen
aßen und sich in die heimische Wolle kleideten. Damit war der Anlaß zu
jedem Verkehr und der Anfang der Sittenverderbnis beseitigt, und sie
konnten weder die Sitten der Franzosen, noch der Spanier, noch der
Italiener annehmen, jener drei Völker, die die Verderbnis der Welt
bilden. Zweitens dulden die Städte, die sich eine freie und unverdorbene
Verfassung erhalten haben, keine Edelleute bei sich, noch erlauben sie,
daß einer ihrer Bürger wie ein Edelmann lebt; ja sie sehen unter sich
streng auf Gleichheit und sind den Rittern und Edelleuten im Lande sehr
feindlich gesinnt. Fällt ihnen einer in die Hände, so töten sie ihn als
Urheber der Verderbnis und Quell alles Ärgernisses. Zur Erklärung der
Bezeichnung »Edelleute« sage ich, daß man diejenigen so nennt, die
müßig vom Ertrag ihrer Güter im Überfluß leben, ohne sich um den
Landbau oder irgendeinen andern Lebensberuf zu kümmern. Solche
Leute sind in einer Republik und in jedem Lande verderblich, zumal
wenn sie außer den genannten Gütern auch noch Burgen und Untertanen
haben, die ihnen gehorchen. Von diesen beiden Menschenklassen ist das
Königreich Neapel, der Kirchenstaat, die Romagna und die Lombardei
voll. Daher kommt es, daß in diesen Ländern nie eine Republik noch
irgendein freies Staatsleben bestand, denn diese Menschengattung ist der
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