Page 823 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Sechsundfünfzigstes Kapitel
Inhaltsverzeichnis
Ehe in einem Lande oder in einer Stadt große Ereignisse eintreten,
kommen Zeichen und Wunder, die sie verkünden, oder Menschen,
die sie vorhersagen.
Woher es kommt, weiß ich nicht, aber man sieht aus alten und neuen
Beispielen, daß sich in einer Stadt oder in einem Lande niemals etwas
Großes ereignet, das nicht durch Wahrsager, Prophezeiungen, Wunder
oder andre Zeichen vom Himmel vorhergesagt wurde. Zum Beweis
dessen brauche ich mich nicht von Hause zu entfernen. Jedermann weiß,
wie oft Bruder Girolamo Savonarola S. Lebenslauf, 1491 und 1494. den
Zug König Karls VIII. von Frankreich nach Italien vorhersagte, wie es
außerdem durch ganz Toskana hieß, man habe über Arezzo in der Luft
kämpfende Krieger gesehen und gehört. Auch weiß jeder, daß vor dem
Tod des Lorenzo de' Medici des Älteren S. Lebenslauf, 1492. die Kuppel
des Domes vom Blitze getroffen wurde, wodurch das Gebäude großen
Schaden erlitt, und wie, kurz bevor Piero Soderini, Ebd. 1512. der vom
Volke von Florenz zum Gonfalonier auf Lebenszeit ernannt war,
vertrieben und seiner Würde beraubt wurde, der Blitz in das Rathaus
einschlug. Man könnte noch viele andre Beispiele anführen, die ich aber
fortlasse, um den Leser nicht zu ermüden. Nur das will ich noch
erzählen, was sich nach Titus Livius V, 32 (391 v. Chr.). vor der
Zerstörung Roms durch die Gallier zutrug. Ein Plebejer, Marcus
Caedicius, meldete dem Senat, er habe um Mitternacht, als er durch die
neue Straße ging, eine übermenschliche Stimme vernommen, die ihm
befohlen habe, den Behörden zu melden, daß die Gallier nach Rom
kämen. Die Ursache davon müßte nach meiner Meinung jemand
untersuchen und erklären, der Kenntnis von den natürlichen und
übernatürlichen Dingen hat, die wir nicht besitzen. Doch könnte es sein,
daß die Luft, wie ein Philosoph will, mit Geistern erfüllt ist, die die Gabe
besitzen, in die Zukunft zu schauen, und daß diese Wesen die Menschen
aus Mitleid durch solche Zeichen warnen, damit sie sich zur
Verteidigung rüsten. Wie dem aber auch sei, fest steht, daß es wirklich so
ist und daß stets nach solchen Erscheinungen neue, außerordentliche
Dinge geschehen.
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