Page 833 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
P. 833

Sechzigstes Kapitel



                                                  Inhaltsverzeichnis






                 Das Konsulat und jede andre Würde wurde in Rom ohne Rücksicht
                                              auf das Alter vergeben.


                Wie man aus der Geschichte ersieht, verlieh die römische Republik das
                Konsulat, nachdem es auch Plebejern zugänglich geworden war, 367
                durch das dritte der Licinischen Gesetze. Vgl. Kap. 37, Anm. 108. ohne
                Rücksicht auf Alter und Geburt. Ja, eine Rücksicht auf das Alter fand in

                Rom überhaupt nie statt, vielmehr sah man immer nur auf das Verdienst,
                mochte man es nun bei einem Jüngling oder einem Greise finden. Ein
                Beweis dafür ist Valerius Corvinus, der mit 23 Jahren Konsul wurde 349
                v Chr. Bei Livius VII, 26, heißt er Marcus Valerius Corvus. und in einer

                Ansprache an seine Soldaten sagte, das Konsulat sei ein praemium
                virtutis, non sanguinis Ebd. 32. (ein Lohn der Tüchtigkeit, nicht der
                Geburt). Ob diese Einrichtung gut oder schlecht war, sei dahingestellt.
                Was die Geburt betrifft, so ließ man sie notgedrungen fallen, und die
                gleiche Notwendigkeit dürfte in jedem Staat eintreten, der das ausrichten
                will, was Rom vollbracht hat, wie schon früher gesagt ward. S. Kap. 6.
                Denn ohne Lohn kann man den Menschen keine Lasten auferlegen und
                ihnen auch die Hoffnung auf Lohn nicht ohne Gefahr nehmen. Bald

                mußte man daher dem Volke die Hoffnung geben, zum Konsulat zu
                gelangen, und eine Weile zehrte es von dieser Hoffnung. Später aber
                reichte die Hoffnung nicht aus, sondern man mußte sie erfüllen. Ein
                Staat, der das Volk zu nichts Ruhmwürdigen verwendet, kann es freilich
                nach Gutdünken behandeln, wie anderwärtig gezeigt wurde. 198: S. Kap.
                6. Wer aber das ausrichten will, was Rom tat, darf solche Unterschiede

                nicht machen.
                     Angenommen, man wollte das letztere, so ist ein Unterschied des
                Alters nicht zu rechtfertigen, ja er muß notgedrungen fortfallen. Denn
                wenn das Volk einen Jüngling zu einem Amte erwählen soll, das die
                Klugheit eines Greises erfordert, so muß ihm eine hervorragende
                Leistung zu dieser Würde verhelfen. Besitzt aber ein Jüngling solche
                Tüchtigkeit, daß er sich durch etwas Besondres hervorgetan hat, so wäre

                es höchst nachteilig für den Staat, wenn er diese Kraft nicht gleich
                nutzen könnte, sondern warten müßte, bis er gealtert ist und die





                                                          832
   828   829   830   831   832   833   834   835   836   837   838