Page 878 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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eines Verbündeten entschließen soll; denn durch Langsamkeit hilft man
keinem und schadet sich selber. Solche Entschlüsse entstehen entweder
aus Kleinmut oder Schwäche oder auch aus der Böswilligkeit derer, die
den Entschluß fassen, wenn jemand aus persönlicher Leidenschaft den
Staat umzustürzen oder einen seiner Wünsche zu befriedigen sucht und
zu diesem Zweck den Beschluß hinhält oder hintertreibt. Denn gute
Bürger werden, auch wenn sie sehen, daß eine Volkslaune zu einem
verderblichen Entschluß neigt, nie die Beschlußfassung hindern, zumal
in unaufschiebbaren Dingen.
Nach der Ermordung des Tyrannen Hieronymus von Syrakus, 214 v.
Chr. Vgl. Livius XXIV, 28. während des großen Krieges zwischen Rom
und Karthago, gerieten die Syrakusaner in Streit, ob sie ein Bündnis mit
den Römern oder den Karthagern schließen sollten. Die Leidenschaft der
Parteien war so groß, daß kein Beschluß zustandekam, bis Apollonides,
einer der ersten in Syrakus, in einer klugen Rede darlegte, daß weder die
Parteinahme für die Römer noch für die Karthager zu tadeln sei; wohl
aber sei die Unentschlossenheit und das Zaudern zu verabscheuen, denn
in diesem Schwanken sähe er den völligen Untergang der Republik; sei
dagegen ein Entschluß gefaßt, gleichgültig welcher, so könne man etwas
Gutes hoffen. Besser als hier hätte Livius nicht zeigen können, wie
verderblich die Unentschlossenheit ist.
Auch im Fall der Latiner beweist er es. Als diese nämlich die
Lavinier Richtiger die Lanuvier. Die Stadt heißt heute Cività Lavinia. um
Beistand gegen Rom gebeten hatten, zauderten sie so lange mit ihrem
Entschluß, daß ihre Truppen gerade zum Tor hinausgerückt waren, als
die Nachricht von der Niederlage der Latiner eintraf. Ihr Prätor Milonius
sagte daher: »Dieser kurze Weg wird uns bei den Römern teuer zu stehen
kommen.« Hätten sie sich früher entschlossen, den Latinern beizustehen
oder nicht beizustehen, so hätten sie im letzteren Fall die Römer nicht
gereizt, und im ersten Fall hätten sie, mit Hilfe zur rechten Zeit, durch
den Zuwachs ihrer Streitkräfte den Sieg herbeiführen können. Durch
Zaudern aber mußten sie in jedem Fall verlieren, wie es ja auch geschah.
In der Schlacht am Vesuv, 340 v. Chr. Hätten die Florentiner sich dies zur
Lehre dienen lassen, so hätten die Franzosen ihnen nicht so viel Schaden
und Verdruß bereitet, wie es beim Zuge König Ludwigs XII. von
Frankreich gegen den Herzog von Mailand der Fall war. S. Lebenslauf,
1499. Als nämlich der König wegen seines Zuges verhandelte, schlug er
Florenz einen Vertrag vor, und die Florentiner Gesandten beim König
kamen mit ihm überein, daß die Republik neutral bleiben, der König ihr
aber bei seinem Zug nach Italien ihren Besitz garantieren und sie in
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